Klöster in Rheinhessen

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Stift St. Martin

St. Martin[Bild: Manfred Heyde]

Die Binger Martinskirche gilt als eine der ältesten Pfarrkirchen am Rhein. Sie wurde an der Stelle eines im römischen castrum stehenden Merkurtempels errichtet, der im Jahre 406 zerstört wurde. Der Grabstein des Priesters Aetherius aus dem 5. Jahrhundert, der heute an der Innenwand des Barbarabaus angebracht ist, belegt das hohe Alter der christlichen Gemeinde hier. Die Kirche war zunächst dem hl. Laurentius geweiht und wird erstmals am 10. Mai 793 erwähnt.
Wahrscheinlich war es Erzbischof Willigis (975-1011), der an der mittlerweile St. Martin geweihten Kirche ein Kanonikerstift einrichtete,  welches erstmals 1006 erwähnt wird und dessen besondere Aufgabe Erschließung und Ausbau der Pfarrorganisation in der  Umgebung war. Nach einem Statut von 1160 sollte diese Gemeinschaft aus 12 Kanonikern  und dem Propst bestehen, der stets ein Angehöriger des Mainzer Domkapitels war.
Ältester erhaltener Bauteil ist die Krypta, die zu einem frühromanischen Kirchenbau aus dem zweiten Viertel des 11. Jahrhunderts gehörte; sie gliedert sich in eine quadratische Halle für die Gläubigen und einem abgetrennten Raum unter dem Hochaltar, der für die Aufnahme kostbarer Reliquien bestimmt war.
Diese Krypta sowie die aus staufischer Zeit stammenden Türme überstanden als einzige Bauteile der Martinskirche den verheerenden Stadtbrand von 1403. Der gotische Nachfolgebau, dessen Chor 1416 geweiht wurde und der die ältere Krypta mit einbezog, war zunächst einschiffig und wurde erst später um zwei Seitenschiffe erweitert. Das nördliche Seitenschiff wurde um 1510 wieder abgerissen und durch  den sogenannten Barbarabau ersetzt, eine zweischiffige Halle mit vier achteckigen Pfeilern auf hohen Sockeln in der Mitte. Dieser Bau diente dem Pfarrgottesdienst.

St. Martin - Krypta[Bild: Harald Strube]

Nach seiner Blütezeit im 11. Jahrhundert erlebte das Stift St. Martin schon bald einen wirtschaftlichen Niedergang; nachdem es schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts als arm bezeichnet wurde, bedeutete der vernichtende Brand von 1403 einen Schlag, von dem es sich nicht mehr erholt hat. Hinzu kamen Misswirtschaft, Vernachlässigung der Pflichten und eine allgemeine Verweltlichung. 1606 gab es im Stift nur noch einen Kanoniker und einen Vikar, die die Einkünfte unter sich teilten und denen man eine üble Lebensweise nachsagte. Schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde das Stift deshalb vorübergehend suspendiert und in eine Pfarrkirche umgewandelt und am 16. Dezember 1672 durch Erzbischof Johann Philipp von Schönborn endgültig aufgehoben; seine Einkünfte wurden dem Mainzer Priesterseminar zugewiesen.
Besondere Ausstattungsgegenstände der Kirche, die 1930 von Papst Pius XI. in den Rang einer „basilica minor“ erhoben wurde, sind unter anderem eine thronende Madonna aus der Zeit um 1310 sowie Tonfiguren der Katharina und der Barbara aus der Zeit um 1420. Sie stammen aus einem nicht mehr erhaltenen spätgotischen Altar und gelten als herausragende Zeugnisse des weichen Stils mittelrheinischer Prägung.

Empfohlene Zitierweise

Schmid, Reinhard: Bingen - Stift St. Martin. In: Klöster und Stifte in Rheinland-Pfalz, URL: <http:⁄⁄www.klosterlexikon-rlp.de//rheinhessen/bingen-stift-st-martin.html> (Letzter Aufruf: 19.03.24)