Klöster in Rheinhessen

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Verfassungsordnung des Stifts St. Stephan

Verfassung und Mitglieder

Über die Stiftsverfassung in den ersten 300 Jahren des Bestehens liegen nur spärliche Quellen vor. Gemäß der Aachener Regel lebten die Stiftsherren, die Weltkleriker waren, zunächst wie eine klösterliche Gemeinschaft gemeinsam (vita communis). Täglich verrichteten sie gemeinsam die Horen des Stundengebetes und kamen zum Kapitel zusammen. Neben den gemeinsamen Schlaf- und Speiseräumen hatten die Kanoniker Häuser, in denen sie während des Tages aufhielten.
An der Spitze des Stiftes stand der Propst, dem die Disziplinargewalt über die Stiftsmitglieder zustand, daneben die Seelsorge und die Verwaltung der Immunität des Stiftes. Er war zudem einbezogen in Verwaltungsarbeiten und die Regierung des Erzstiftes und Erzbistums, was nicht zuletzt auch die Bedeutung des Stiftes unterstreicht, aber auch die enge Bindung an den Erzbischof.
Als ab dem 11. Jahrhundert im Erzstift die Archidiakonate entstanden, wurde dem Propst des Stefansstiftes einer dieser Verwaltungsbezirke übertragen. Der Bezirk umfasste damals die oberhessischen Landkapitel (Dekanate) Amöneburg, Arfeld und Kesterburg. Urkundlich nachgewiesen ist der Propst in dieser Funktion erstmals 1103, 1193 findet er sich ausdrücklich als Archidiakon bezeichnet.
Durch die mit der Stellung als Archidiakon verbundene häufige Abwesenheit von Mainz kam es zur Entfremdung zwischen Propst und Stift. Das Kapitel versuchte, den Einfluss des Propstes zurückzudrängen, namentlich auf dem Gebiet der Verwaltung des Stiftsbesitzes.
Im 13. Jahrhundert setzte sich das Kapitel immer stärker durch; 1244 verlor der Propst nahezu alle Rechte in der Stiftsverwaltung und wurde auf seine geistliche Funktion beschränkt.
Dem Dekan oblag die Aufrechterhaltung der Disziplin des Stiftes und die Vertretung des Kapitels nach außen. Das Amt wird namentlich erstmals in einer Urkunde aus dem Jahr 1121 genannt. Bis zur Aufhebung des Stiftes kam es zu keiner Minderung der Bedeutung seiner Funktion.
Ab dem 12. Jahrhundert urkundlich nachweisbar, aber wahrscheinlich schon zuvor bestehend, ist das Amt des Scholasters. Er war ursprünglich Leiter der Stiftsschule und trug damit Verantwortung für die Ausbildung des Stiftsklerus. Mit dem Aufkommen der Universitäten erfuhr sein Amt einen Bedeutungsverlust, der aber dadurch kompensiert wurde, dass dem Scholaster nun eine steigende Bedeutung in der Verwaltung des Stiftes zukam.
Die Ämter des Kustos und des Kantors begannen sich erst ab dem 14. Jahrhundert stärker zu profilieren. Neben seinen Aufgaben für das Stift war der Kustos, wie 1213 urkundlich belegt wird, auch verantwortlich für den Pfarrgottesdienst. Die Kustodie war keine Prälatur im Vollsinne und ging 1563 ein. Die Auflösung der Kustodie dürfte im Zusammenhang mit der schlechten wirtschaftlichen Lage des Stiftes stehen.
Der Kantor war zuständig für die Liturgie.
Einzelne Pfründen der Kanonikate sind ab dem 12. Jahrhundert nachweisbar.
Ab dem 13. Jahrhundert kam es zur Ausbildung von Vikarien. Im Laufe der Zeit entwickelte sich in einem bis zum 15. Jahrhundert dauernden Prozesse so eine eigene Gruppe von Geistlichen innerhalb des Stiftsgefüges. Im 16. Jahrhundert wurde eine Höchstzahl von 18 Vikarien festgelegt, die dann nochmals auf 16 reduziert wurde. Der Vikar des Margerethenaltars war gleichzeitig Pfarrer von St.Stephan.
Erst für das Jahr 1356 liegen Angaben über die Anzahl der am Kollegiatstift St. Stephan bestehenden Pfründen vor. In diesem Jahr werden 37 Pfründen genannt. In den folgenden Jahrhunderten kam es allerdings zu Schwankungen in der Anzahl, die sich zwischen 30 und 34 bewegte. Die Zahl der Kapitulare war somit nicht konstant. 1449 und 1563 wurden Versuche gemacht, die Zahl der Pfründen auf 18 zu reduzieren, indem vakant gewordene Stellen nicht mehr besetzt wurden. Offenbar war diesen Versuchen aber kein dauerhafter Erfolg beschieden.
Zur Finanzierung der Besoldung der Universitätslehrer wurden an den Mainzer Stiften, so auch an St. Stephan (für die medizinische Fakultät) sog. Universitätspfründen (Lektoralpräbenden) eingerichtet. 1534 konnte sich das Stephansstift von der Verpflichtung durch die jährliche Zahlung einer Geldsumme (50 fl.) befreien.
Am 14.7.1615 erklärte der Mainzer Erzbischof Johann Schweickard von Kronberg (1604/1626) das Stift zu einem capitulum clausum. Damit wurde eine feste Zahl von 26 Kanonikaten festgesetzt. Bis 1780 setzte sich das Stift nun zusammen aus den Dignitäten, 14 Kapitularen und acht Domizellaren, von denen jeweils der dienstälteste auf die vakante Stelle rückte.
1731 kam es zum Wiederaufleben der Universitätspfründe.
Das Kapitel besaß Selbstergänzungsrecht. Ab 1463 nachweisbar ist die Aufnahme vom Domizellaren. Ebenfalls erstmals 1463 bezeugt ist ein sog. Turnus. Dabei wurde reihum von den Kapitularen ein Kandidat für eine vakante Stelle vorgeschlagen. Die Reihenfolge des Turnus richtete sich dabei nach dem Dienstalter der Kapitulare. Damit wurde die Nomination auch Teil der Familienpolitik der Kapitulare. 1792 wurde dem Stift sogar zugestanden, den Propst zu wählen.
Neben das Selbstergänzungsrecht des Kapitels trat die päpstliche Provision, die im Wiener Konkordat 1448 eine rechtliche Regelung fand. Durch die Quinquennalfakultäten brachte der Mainzer Erzbischof dieses päpstliche Recht an sich. Ab dem 16. Jahrhundert erfolgten die Nominationen so durch den Erzbischof und das Kapitel.
Einige Pfründen des Stiftes wurden auch durch andere Personen besetzt, da ihnen das Kollationsrecht zustand (so besaß der Propst von St. Alban das Recht, eine Pfründe des Stiftes zu besetzen) oder waren mit einer anderen Pfründe in Personalunion verbunden. So war z.B. seit 1189 jeder Domkustos gleichzeitig Mitglied des Stephansstiftes, ohne allerdings zur Präsenz verpflichtet zu sein. Ihm stand auch kein Stimmrecht im Kapitel zu.

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Empfohlene Zitierweise

Rommel, Martina / Schmid, Reinhard / Rettinger, Elmar: Mainz - St. Stephan. Verfassungsordnung. In: Klöster und Stifte in Rheinland-Pfalz, URL: <http:⁄⁄www.klosterlexikon-rlp.de//rheinhessen/mainz-st-stephan/verfassungsordnung.html> (Letzter Aufruf: 20.04.24)