Klöster in Rheinhessen

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Geschichtlicher Überblick

Die 1604 erfolgte Wahl Wilhelms von Effern zum Bischof von Worms (1693-7.8.1616 Ladenburg, 18.8.1604 Wahl zum Bischof/15.8.1612 zum Bischof geweiht) (Vgl. Keilmann, Effern) fiel in einen Zeitraum, der „deutliche Anzeichen einer allmählichen Konsolidierung des Katholizismus“ zeigt[Anm. 1]. In Speyer waren seit 1605 Jesuiten tätig. Wilhelm von Effern, der durch die von ihnen geleistete Exerzitienarbeit überzeugt war, berief sie in diesem Jahr wiederholt auch in seine Diözese. Seit 2.5. 1606 waren dann zwei Mitglieder der Speyerer Jesuitenniederlassung, August Turrian(us) und Gisbert Bernardi, dauerhaft in Worms tätig.
Im Jahr 1609 gewährte ein Privileg Kaiser Rudolphs II. den Jesuiten die gleichen Privilegien wie dem übrigen Klerus in Worms. Im gleichen Jahr bewilligte am 23.Dezember das Domkapitel einen jährlichen Unterhalt für die Tätigkeit als Prediger.
Die Geschichte der Jesuiten in Worms und ihr Wirken ist von Anfang an durch Spannungen mit dem lutherischen Rat der Stadt geprägt. Dessen feindselige Haltung, berichteten die Jesuiten 1609, habe sich auf dem Hintergrund ihres erfolgreichen Wirkens gewandelt. Schon 1608 habe er alles daran gesetzt, sie aus der Stadt zu verjagen. Nun, im Juni 1609, sei „die Gefahr auf höchste gestiegen“[Anm. 2], ja sogar Kanonen seien aufgefahren worden, um die Bischöfliche Pfalz, wo sie wohnten, zu erstürmen. Dann aber seien ein „strenges Mandat des Reichskammergerichtes und ein Schutzbrief des Kaisers“ (Duhr, S. 174) eingetroffen.  Unterstützung erfuhr der Orden außer durch den Bischof durch die geistlichen Kurfürsten, den Fürstbischof von Bamberg  und Herzog Maximilian von Bayern. Insgesamt zurückhaltend in der Jesuitenfrage zeigte sich das Wormser Domkapitel. Im Jahr 1611 forderte auf Reichsebene die Protestantische Union vom Wormser Bischof die Abberufung der Jesuiten.
Bischof Wilhelm v. Effern versuchte, auch wenn sich das Hochstift in einer finanziell nicht leichten Lage befand, dem Orden eine stärkere wirtschaftliche Basis zu geben. Vom 22.4.1613 datiert ein zwischen Bischof und Domkapitel auf der einen Seite und der Ordensleitung auf der anderen Seite abgeschlossener Gründungsvertrag für das Jesuitenkolleg. Der Bischof erlaubte ihnen, sich in Worms niederzulassen und wies ihnen eine Behausung (s.unten) sowie eine jährliche Rente von 1500 Gulden (1000 in Geld, 500 in Form von Getreide und Wein) zu. Ebenso verpflichtete er sich, einen Lehrer für lateinische Sprache und Musik am Kolleg anzustellen. Der Orden seinerseits verpflichtete sich, eine drei Klassen umfassende Schule für den Lateinunterricht einzurichten, Predigten im Dom zu halten und Katechesen zu erteilen. Am 24.5.1613 erfuhr der Vertrag die Bestätigung durch Ordensgeneral Claudius Aquaviva (19.2.1681/31.1.1715).
Lehmann bezeichnete die Übereinkunft später als eine „in mancher Hinsicht merkwürdige“ Urkunde[Anm. 3].
Am 6.11.1623 wiederholten Bischof und Domkapitel sowie auch der Orden nochmals ihre Verpflichtungen. Am 16.10.1624 wurde den Jesuiten bestätigt, dass sie am 1.Januar dieses „Normaljahres“ die rachtungsmäßigen Freiheiten – gemeint waren die „Pfaffenrachtungen“ der Jahre 1509 und 1519 - des Klerus genossen hatten. Das Verhältnis zwischen Orden und Rat blieb nichtsdestoweniger gespannt.

Im Jahr 1626 wurde die Teilung der Deutschen Jesuitenprovinz in eine Oberrheinische und eine Niederrheinische Provinz vollzogen. Bei den Kollegien unterscheidet K.Schatz drei Arten:
-    Kollegien, die eine 5-6 Klassen bis incl. der Rhetorikklasse umfassende Schule betrieben
-    Kollegien, in denen auch die artes liberales unterrichtet wurden
-    Kollegien, die bis zum Theologiestudium führten
Das Kollegium in Worms gehörte zur ersten Stufe.

Bischof Georg Friedrich Greiffenklau zu Vollrads (1616/1629) incorporierte 1626 auf Bitten der Gebrüder Dalberg, Erben und Nachkommen des Stifters, das 1562 durch Kurpfalz säkularisierte Augustinerchorherrenstift in Frankenthal dem Wormser Jesuitenkolleg, das nach V.Christmann allerdings erst 1631[Anm. 4]offiziell Besitz ergreifen konnte.

Am 7.12.1631 überquerte Gustav Adolf mit seinem Heer bei Oppenheim den Rhein. Am 19.12.1631 besetzten sie Worms. Bischof und Klerus, darunter auch die Jesuiten, hatten am 17.12.1631 die Flucht ergriffen. Nachdem die Schlacht bei Nördlingen am 6.9.1634 mit einer Niederlage der Schweden geendet hatte und sie danach aus Süddeutschland abziehen mussten, kehrten die Jesuiten bereits im Juli 1635 nach Worms zurück. Eine neue Phase der Rekatholisierung begann. Die langwierigen Auseinandersetzungen mit dem Rat waren aber auch nach dem Krieg nicht zu Ende.
Schon zur Zeit der französischen und schwedischen Besatzung[Anm. 5]hatte der Rat in der letzten Phase des Kriegs den Jesuiten die Abgabenfreiheit bei Aus-und Einfuhr von Wein und Frucht bestritten. Die Jesuiten wandten sich, unterstützt durch Bischof Georg Anton von Rodenstein (1629/1652)  und den Mainzer Erzbischof und Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn  (1647/1683)  an Kaiser Ferdinand IIII., der daraufhin eine Kommission einsetzte. Sie bestand aus dem genannten Erzbischof Johann Philipp v. Schönborn und Pfalzgraf Ludwig Philipp Herzog von Pfalz-Simmern. Nach Untersuchung des Falles durch Subdelegierte dieser Fürsten und ausführlichen Verhandlungen wurde am 4.8.1650 in Mainz der Schiedsspruch verkündet. Danach genossen die Jesuiten in Worms alle Freiheiten und Rechte, die ihnen am 1.1.1624 zustanden. Der Rat der Stadt akzeptierte zwar das Urteil, bestritt aber dass der Orden zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich diese Freiheiten genossen habe. Am 16.10.1650 erläuterten die Kommissare „nach vorher erstatteten Bericht an den Kaiser“ (Becker, S. 186) durch ein Reskript noch einmal ihre Entscheidung. Es ergebe sich aus den vorliegenden Dokumenten, wurde argumentiert, hinreichend, dass die Jesuiten zum maßgeblichen Zeitpunkt im Besitz der vom Rat bestrittenen Rechte gewesen seien. Das Dokument wurde Stättmeister Hartmann Seidenbänder zugestellt.
Der Streit mit dem Rat war damit allerdings nicht beseitigt - A.Becker spricht davon, dass der Rat sich „trotzdem nicht bis zur Gefügigkeit einschüchtern“ (Becker, S. 187) habe lassen -, sondern schwelte auch in den folgenden Jahren weiter. So wurde am 9.7.1656 dem Orden etwa der Weinzapf fremden Weins verweigert (Vgl. Becker).
Am 24.9.1658 mahnte eine schriftliche Intervention des Mainzer Erzbischofs Johann Philipp von Schönborn den Rat, den Jesuiten ihre Rechte zuzugestehen. Es folgte eine Phase längerer Verhandlungen. Am 17.11. 1662 unterstrich der Rat gegenüber dem Kurfürsten von Mainz einmal mehr seine Rechtsauffassung, dass den Jesuiten die rachtungsgemäßen Rechte nicht zustünden, signalisierte aber Bereitschaft, sich mit dem Orden bezüglich „einiger Accis-Befreiungen, soweit die Herren Patres dessen in ihrer häuslichen Provision von Jahr zu Jahr an Frucht und Wein benöthigt seien“ (Becker, S. 197) durch Spezialmandate zu einigen. Der Rat bestand dabei auf Einzelfallentscheidungen, forderte er doch, die Jesuiten müssten jedes mal „supplicando anmelden“ (Becker, S. 187) und um die Befreiung von Ungeld und um Schutz bitten. Es folgten mündliche Verhandlungen zwischen den Jesuiten und Bevollmächtigten des Rates. Die Jesuiten ihrerseits stellte nun gleichfalls Forderungen: „die zwei obersten Jesuiten“ (Becker, S. 187) sollten wie der Wormser Klerus und die fünf Stifte, d.h. das Domstift und die Kollegiatstifte St.Andreas, St.Martin, St.Paul und Liebfrauen, alle aus den Rachtungen fließenden Freiheiten genießen. Der Rat weigerte sich, auf diese Forderung einzugehen.
Im Jahr 1668 erhoben die Jesuiten Beschwerde wegen der Erhebung des Pfortengeldes, zu dessen Zahlung sie verpflichtet werden sollten.

Zwei Jahre später schließlich prüfte der Rat einmal mehr, ob die Rechte, die die Jesuiten beanspruchten, konform mit denen der Rachtungen der Jahre 1509 und 1519 waren. Die Angelegenheit wurde am 9.3.1670 in der Ratssitzung thematisiert. Der Rat bestritt schließlich „dem Orden .... erfolgreich seine Privilegien“[Anm. 6]. Der Mainzer Erzbischof Johann Philipp von Schönborn, so A.Becker, mahnte schließlich seinerseits den Rat, der am 30.12.1670 (alten Stils) Stellung bezog. Basis war wieder die Entscheidung aus dem Jahr 1650: man beinträchtige den Orden, so der Rat, nicht in seiner Tätigkeit des Predigens und der Erteilung von Unterricht. Die Privilegien aber, die sie beanspruchten und sich dabei auf kaiserliche Verleihung beriefen, dürften nicht die Rechte Dritter verletzen. Und verletzt würden die Rechte der Stadt Worms! Laut der Sentenz des Jahres 1650 sei die Stadt nicht gehalten, die genannten Privilegien zu gestatten. Wieder einmal wurde, wie bereits 1662, das Rechtsinstitut der Spezialmandate ins Spiel gebracht.
Der Wormser Bischof Johannen Karl von Franckenstein (1683/1691) verwandte sich 1687 bei Kaiser Leopold I. für die Wormser Jesuitenniederlassung. Bevor allerdings eine Entscheidung fiel, wurde am 31.5.1689 im Zuge des Pfälzischen Erbfolgekriegs die Stadt niedergebrannt. Nach der Zerstörung des Kollegsgebäudes verließen die Jesuiten die Stadt. Nach Wagner/Schneider hielten sie sich von 1693 bis 1703 im bischöflichen Schloss in Dirmstein auf.
Nach der Rückkehr nach Worms baten die Jesuiten das Wormser Domkapitel um Wiedergewährung der 1613 bewilligten Dotation. Es gewährte für den Dienst der Ordensleute in der Nikolauskapelle eine Dotation in Form von jährlich 100 Maltern Frucht und 100 Gulden Geldes.

Auch im 18.Jh. kam es, etwa wegen des Weinkaufs, zu Zwistigkeiten zwischen Rat und Orden. Am 25.10.1708 bekräftigte Kaiser Josef I. auf Bitten der Wormser Jesuiten ihnen ihre Privilegien. Am 16.4.1709 wurde dem Rat die kaiserliche Entscheidung vorgelegt, der sie als wirkungslos betrachtete[Anm. 7]. Ein kaiserliches Mandat vom 9.12.1712, das sich an den Rat richtete, betonte, dass die aus den Rachtungen fließenden Rechte keine Beeinträchtigungen erfahren dürften. „Auch diesem kaiserlichen Willen wußte der Magistrat ... zu begegnen“ (Becker, S. 195). Verwiesen wurde auf das an den Kurfürsten von Mainz gerichtete Schreiben vom 30.12.1670.  Die Jesuiten erbaten sich nun ihrerseits dieses Schreiben aus dem kurfürstlichen Archiv, in dem der Rat ja die Sentenz aus dem Jahr 1650 anerkannt hatte und legte es dem kaiserlichen Reichshofrat vor. Am 19.2.1715 erfolgte schließlich die Anerkennung durch den Rat.

Die Aufhebung der Niederlassung im Jahr 1773 wurde ähnlich rigoros wie in Mainz vollzogen[Anm. 8]. Am 2.9.1773 bestimmte der Wormser Bischof Emerich Josef von Breidbach-Bürresheim (1768/1774, seit 1763 Erzbischof von Mainz) eine Kommission zur Aufhebung des Jesuitenordens im Bistum Worms. Ihr gehörten der Wormser Weihbischof Franz Anton Xaver Scheben (1765/1779) und sein Mainzer Amtsbruder Johann Valentin Heimes (1783/1806), der Offiziat des Generalvikariats und Kustos des Andreasstiftes Martin Schalck und Landschreiber Reißenbach an. Die Mitglieder des Kollegs sollten nach Rücksprache mit den jeweiligen Vorstehern in anderen Wormser Klöstern (Karmeliten, Dominikaner, Mariamünster und Richardikonvent) untergebracht werden, die dafür ein entsprechendes Kostgeld beziehen sollten. Die Novizen (Scholastiker) sollten ohne weitere Unterstützung  entlassen werden und in weltlicher Kleidung die Stadt verlassen. Es sollte ihnen freigestellt werden, ob sie den geistlichen Stand, die Tätigkeit als Lehrer oder einen anderen Lebensunterhalt wählten. Die Laienbrüder sollten mit einem „Zehrpfenning“ ausgestattet werden und künftig in ihrem erlernten Beruf tätig sein. Den gebrechlichen Laienbrüdern wurde zugestanden, sie wie die gebrechlichen Priester des Ordens zu behandeln. Am 3.9.1773 teilte die Kommission um 7.00 Uhr den Ordensleuten die Aufhebung ihrer Niederlassung mit und ergriffen im Namen des Bischofs/Kurfürsten Besitz von Haus, Kapelle, Akten und Mobilien. Plastisch beschreibt A.Becker die symbolischen Handlungen, die mit der Inbesitznahme verbunden wurden. Auf dem Herd wurde das Feuer entzündet und es wurden einige Splitter der Türschwelle abgeschnitten.

Anmerkungen:

  1. Keilmann, Bistum, S. 191 Zurück
  2. zit. nach Duhr 2.1, S. 174 Zurück
  3. Lehmann, S. 473 Zurück
  4. B.Duhr nennt das Jahr 1636 Zurück
  5. 1631/35 schwedische Besatzung; danach durch lothringische und kaiserliche Truppen, 1639/40 abermals kurzfristige schwedische Beatzung, 1644-1650 französische Truppen Zurück
  6. Warmbrunn, S. 221 Zurück
  7. Vgl. Becker, S. 194 Zurück
  8. Vgl. Schatz, S. 11 Zurück

Empfohlene Zitierweise

Rommel, Martina: Worms - Jesuiten. In: Klöster und Stifte in Rheinland-Pfalz, URL: <http:⁄⁄www.klosterlexikon-rlp.de//rheinhessen/worms-jesuiten.html> (Letzter Aufruf: 24.04.24)