Klöster in Rheinhessen

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Kirche

Wie aus dem Grabungsbefund aus dem Jahr 1971 im Zusammenhang mit dem Bau einer Tiefgarage erschlossen werden kann – gefunden wurden etwa die Westwand und die südliche Außenwand des Seitenschiffs -, handelte es sich bei der ursprünglichen Kirche um ein dreischiffiges Gebäude, das wahrscheinlich über zwei westliche Türme verfügte. Als Entstehungszeit wird die Periode unmittelbar vor dem Bau des Domes angegeben. Die Fundamente wurden 1971 zwar dokumentiert; an weiteren Forschungen bestand seitens der damaligen Landesregierung kein Interesse.
1575 oder bereits davor ließ Erzbischof Damian Brendel von Homburg (1555/1582) einen Neubau errichten, der den baufällig gewordenen Vorgängerbau aus dem 10. Jh. ersetzte. Der Entwurf stammt nach den Forschungen von F. Arens von Joris Robyn aus Ypern. Er nutzte zu großen Teilen die ottonischen Fundamente, errichtete jedoch ein Renaissancegebäude. F. Arens verweist auf stilistische Ähnlichkeiten mit den Kirchen S.Salvatore und S.Fantino in Venedig.
Aus der Zeit von Erzbischof Daniel Brendel von Homburg stammt auch das Chorgestühl, das Irnfriede Lühmann-Schmidt als eines der frühesten Werke des Künstlers Georg Wolff ermitteln konnte, der 1581 als mit Holzarbeiten befasst in den Lohnlisten Robins genannt wurde.

Am 7. 8. 1581 erfolgte die feierliche Weihe der Kirche, die sich im Laufe der Zeit immer mehr zur Hofkapelle entwickelte, war sie doch der Ort, an dem der Erzbischof an Sonn- und Feiertagen die Liturgie feierte.

Nachdem am 23. 12. 1631 die schwedische Armee in Mainz eingezogen war, blieb die Stadt fünf Jahre unter schwedischer Herrschaft. Von Ostern 1632 bis 1636 wurde, wohl hauptsächlich für die schwedischen Militärangehörigen, in der Schlosskirche regelmäßig lutherischer Gottesdienst gefeiert (Prediger Dr. Johann Donner).

Eine Beschreibung der Kirche lieferten die Jesuiten Daniel Papebroich und Gotfried Henschenius, die auf ihrer Reise von Antwerpen nach Rom am 13. 8. 1660  Mainz besuchten. Sie beschreiben St. Gangolph als eine Kirche „in der jedes, aber auch das kleinste Stück, das Auge durch ein Kunstwerk der Malerei, der Bildhauerei oder des Mosaiks fesselt. Die Form des Bauwerks ist in etwa die der Kirche zu Doffeln, außer der größeren Tiefe des Chores, der sich durch ganz hervorragende, aber sparsame Anwendung der Skulptur von dem vorderen Teil der Kapelle unterscheidet. Von ähnlicher Arbeit ist die Kanzel. Der Fußboden im Chor ist mit verschiedenen Steinlagen hübsch in größere Felder eingeteilt. Die Wände sind ringsum sehr kunstreich bemalt, mit nassen Farben auf frischen Putz (Fresko). So ist in einer Loge, in welcher der Kurfürst der Messe beizuwohnen pflegt, die ganze Geschichte Daniels, von dem der Bauherr seinen Namen hatte, dargestellt. Man vermißt nichts, was zur Vollendung des Bauwerkes noch beitragen könnte ...“[Anm. 1]. Auf die Wandgemälde, die auf das Jahr 1581 datiert sind, weist F. Arens hin, verbunden waren die Gemälde mit Lobgedichten auf den Mainzer Bischof Crescens[Anm. 2] und den hl. Bonifatius[Anm. 3]. Ebenso erwähnt Arens die genannten Darstellungen Daniels[Anm. 4].

Papebroich und Henschenius berichteten, dass das Gewölbe nach einem durch Hochwasser bedingten Bauschaden durch Eisenanker gesichert worden sei.

Am 24. 11. 1698 erfolgte nach Duchhardt-Bösken die Weihe von zwei Altären für St. Gangolph: der eine war der Dreifaltigkeit und heiligen Engeln geweiht, der andere Maria und den hl. Aposteln[Anm. 5].

H. Mathy weist darauf hin, dass auch in der Stiftskirche St. Gangolph „das neue Verhältnis von musikalischem Bedürfnis und liturgischen Notwendigkeiten, die nunmehr eine polyphone Vokalmusik durchgehend durch ein instrumentales Musizieren ersetzte“[Anm. 6] zur Beseitigung des Chorabschlusses geführt habe. I. Lühmann-Schmidt nennt als Jahr, in dem der Lettner abgebrochen und versetzt wurde, das Jahr 1729.

Im Frühjahr 1793 wurde während der Zeit der französischen Besetzung der Stadt Mainz die Kirche teilweise geplündert. Ab diesem Zeitpunkt verfiel das Gebäude mehr und mehr. Nach H. Reber wurde die Kirche 1805 niedergelegt[Anm. 7]. Nach F. Arens hingegen wurden erst 1813/14 Holzwerk und Dach der Kirche entfernt; 1814 zerstörte ein Brand das Gebäude[Anm. 8]. Für diese Datierung spricht auch die Beschriftung einer Zeichnung von L. Lindenschmit. Die Zerstörung der Kirche bezeichnet F. Arens als einen „der schlimmsten Verluste für die Mainzer Kunstdenkmäler“[Anm. 9].

Ein zwischen 1814 und 1825 entstandenes Ölgemälde von H. Cöntgen zeigt das Kircheninnere als Ruine. M. Ribbert konstatiert hinsichtlich des dargestellten Grundrisses eine Übereinstimmung mit einem 1803 aufgenommenen Grundriss. Als das Bild entstand, waren durchaus noch Erinnerungen an die Kirche möglich. Allerdings findet sich nicht in allen Details eine historisch genaue Darstellung, sind doch die in der rechten unteren Bildecke dargestellten Säulenreste ein „Tribut an die Ruinenromantik“[Anm. 10]der Entstehungszeit des Bildes. Ähnlich verhält es sich mit der Darstellung des Tonnengewölbes. Dargestellt finden sich auch die bereits 1660 von Papebroich und Henschenius erwähnten Stützen.

Auf Grund eines großherzoglichen Dekrets wurden die Reste der Kirche 1826 gänzlich abgebrochen; der so gewonnene Platz wurde 1838/39 zur Anlegung des Gartens für das Großherzogliche Palais genutzt.

Über die Innenausstattung der Kirche ist nur wenig überliefert[Anm. 11].

F.S. Pelgen edierte ein in der Forschung lange unbekannt gebliebenes Inventar der Kirche, das am 14.12.1776 aufgenommen wurde und die dort befindlichen Paramente und Pretiosen auflistet. Eine frühere Inventarisierung aus dem Jahr 1768, die als Vergleich herangezogen wurde, hat sich offensichtlich nicht erhalten[Anm. 12]. Aufgenommen wurden in das Inventar zwei Monstranzen, fünf Ziborien, fünf Kelche und Silberwerk (verschiedene Messkännchen mit den dazugehörigen Löffelchen, Kruzifixe, Leuchter, Hostiengefäße , Weihwassergefäß und Aspergill, Rauchfässer und  die dazugehörigen Navicula sowie dies Tür eines früheren Tabernakels und ein „silberner Hammer mit einem hölzernen Stiel“[Anm. 13].
Umfangreich war der Bestand an Paramenten, namentlich – wie bei einer erzbischöflichen Hofkirche zu erwarten, an Pontifikalornaten.

Interessant ist ein Blick auf die ebenfalls inventarisierten Reliquien der Kirche: genannt werden zunächst ein Partikel des Kreuzes Christi und ein in Silber gefasster Dorn der Dornenkrone. Die Fassung trug das Wappen von Erzbischof Damian Hartard von der Leyen (1675/1678). Ebenfalls erwähnt finden sich als Berührungsreliquien zwei „an die orginalia zu Turin angerührte Schweistücher von Christo in sepulchro“[Anm. 14]. Auf einer Inschrift war eigens vermerkt, dass es sich nicht um ein Original handelte[Anm. 15].
Nicht näher beschrieben wird der Inhalt zweier Reliquiengefäße aus der Zeit des Erzbischofs Anselm Casimir Wambolt zu Umstadt (1629/1647). Gleichfalls unter die Rubrik „Reliquien“ subsumiert wurden weitere Inventarstücke, die keine Reliquien waren: ein kostbar ausgestattetes „Instrumentum pacis“ sowie ein Brustkreuz sowie zwei „Portatilia“.

 

Die Kirche als Ort des Gottesdienstes

Selbstverständlich diente die Kirche dem Stiftsgottesdienst. Im Zusammenhang mit dem Testament des Stiftsherrn an St. Peter, Philipp Trudelonis von Idstein (+ 1460) vom 6. 4. 1458 verweist H. Gensicke unter anderem auf die Feier einer Messe, die von den Stiftsherren von St. Peter am Liboriustag (23. Juli) und am 21. Oktober (Fest der 11.000 Jungfrauen) in St.Gangolph zu feiern war[Anm. 16]. Seit Erzbischof Daniel Brendel von Homburg war die Kirche Ort des sonn- und feiertäglichen Gottesdienstes der Erzbischöfe von Mainz.

Ab 1730 war die Kirche Hofkirche, wobei das Stift weiterhin Nutzungsrecht besaß.

Die Kirche war auch Ort für Bischofsweihen: Im Jahr 1674 fand in der Stiftskirche die Bischofsweihe des Weihbischofs Johannes Bossert (Weihbischof für Speyer, Worms und die thüringischen Gebiete des Erzbistums Mainz) statt. In St. Gangolph empfing durch den Wormser Weihbischof Johann Baptist Gegg am 11.6.1728 der Dekan des Wormser Liebfrauenstiftes, Kaspar Adolf Schnernauer die Bischofsweihe[Anm. 17]. Ebenso in der Schlosskapelle empfing am 13. 11. 1763 der Mainzer Erzbischof Emmerich Josef von Breidbach-Bürresheim (1763/1774) die Bischofsweihe.

 

Die Kirche als Grablege

Begraben in der ersten Kirche wurde der Stifter des Kollegiatstiftes. Auf einen Gedenkstein in der Gruft der Kirche für Erzbischof Daniel Brendel von Homburg (+ 22.3.1585) weist Arens hin[Anm. 18], ebenso erwähnt er eine Eingeweideurne dieses Erzbischofs[Anm. 19]. Ein weiteres Eingeweidegrab in St. Gangolph gab es auch für Erzbischof Johann Adam von Bicken[Anm. 20]) sowie eine Eingeweideurne für Erzbischof Georg Friedrich von Greiffenklau (+ 6.8.1629)[Anm. 21].
In der Kirche beigesetzt wurden am 16.10.1647 auch das Herz und die Intestinalien des Mainzer Erzbischofs Anselm Casimir Wambolt zu Umstadt (+ 9.10.1647)[Anm. 22], dessen einbalsamierter Leib im Dom bestattet wurde. Ebenso wurden nach F. Jürgensmeier in einem Kleinsarg die Intestina des Erzbischofs Anselm Franz von Ingelheim (+ 30.3.1695 in Aschaffenburg) in der Schlosskirche beigesetzt.

Anmerkungen:

  1. F. Arens, Mainz 1660, S. 42 Zurück
  2. Vgl. F. Arens, Inschriften, Nr. 1309 Zurück
  3. ebd., Nr. 1310 Zurück
  4. ebd. Nr. 1311 Zurück
  5. S. Duchhardt-Bösken, Pontifikalhandlungen, S. 231 Zurück
  6. H. Mathy, Residenz, S. 277 Zurück
  7. H. Reber, Handbuch, S. 1533 Zurück
  8. F. Arens, Schloßkirche, S.23 Zurück
  9. F. Arens, Gerhard Wolff, S. 20 Zurück
  10. M. Ribbert, S. 106 Zurück
  11. Vgl. Pelgen, S. 313 Zurück
  12. Vgl. Pelgen, S. 314 Zurück
  13. Pelgen, S. 322 Zurück
  14. Pelgen, S. 321 Zurück
  15. F. Arens, Inschriften Nr. 1098 Zurück
  16. Vgl. Gensicke, S. 166 Zurück
  17. Schmitt, S. 101 Zurück
  18. F. Arens, Inschriften, Nr. 1315 Zurück
  19. F. Arens, Inschriften, Nr. 1316 Zurück
  20. F.  Arens, Inschriften, Nrr. 1406, 1407 Zurück
  21. F. Arens, Inschriften, Nr. 1479 Zurück
  22. F. Arens, Inschriften, Nr. 1501 Zurück

Empfohlene Zitierweise

Rommel, Martina: Mainz - St. Gangolph. Kirche. In: Klöster und Stifte in Rheinland-Pfalz, URL: <http:⁄⁄www.klosterlexikon-rlp.de//rheinhessen/mainz-st-gangolph/kirche.html> (Letzter Aufruf: 16.04.24)