Das Stift St. Victor in der Johanniskirche

Das Stift St. Victor bei Weisenau gehörte zu den Mainzer Kirchen, die neben St. Alban, Heiligkreuz und dem Kartäuserkloster, aber auch dem ehemaligen Bischofshof am Höfchen und der Martinsburg, dem Vernichtungsfeldzug des Markgrafen Albrecht Alcibiades im August 1552 zum Opfer fielen und niedergebrannt wurden. Seine Stiftsherren hielten danach ihren Gottesdienst zunächst in der Dominikanerkirche, doh wurden sie schon im Oktober 1552 vom Erzbischof angewiesen, ihren Chordienst des Weiteren in der Johanniskirche zu feiern. Genauere Regelungen, wie sich das Verhältnis beider Stifte zueinander gestalten sollte und wie sich die Stiftsherren von St. Victor am Unterhalt der Johanniskirche beteiligen sollten, wurden dabei ebenso wenig getroffen wie mögliche "Mietzahlungen" für die Nutzung der Kirche. Wahrscheinlich sah man auch keine Notwendigkeit für solche Regelungen, da das Stiftskapitel von St. Victor zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch einen baldigen Wiederaufbau seiner Kirche und der Stiftsgebäude am alten Standort beabsichtigte.

Allerdings ließ man sich dann doch Zeit, bis schließlich das Provisorium zur Dauerlösung wurde.30 Jahre lang fanden die Kapitelsversammlungen in den Wohnungen verschiedener Kapitulare statt, ehe man 1581 den Entschluß fasste, in einem dem Johannisstift gehörendem Haus eine Kapitelsstube einzurichten.

An der Instandhaltung der Johanniskirche hat sich St. Victor, das nach wie vor zu den reicheren Mainzer Stiften gehörte und nun auch keine Kosten mehr für den Unterhalt einer eigenen Kirche und zugehöriger Stiftsgebäude zu tragen hatte, bis zum Ende des 17. Jahrhunderts offensichtlich anstandslos beteiligt. Aus unbekannten Gründen hat sich diese Situation jedoch 1681 geändert, denn in diesem Jahr blieb die Bitte des Johannisstifts um einen größeren Zuschuss für notwendige Reparaturarbeiten an der Kirche unbeantwortet. Es folgte ein jahrzehntelanger Rechtsstreit, der sogar bis an die Kurie geführt wurde.

Im Herbst 1755 nahm dieser Streit dann eine überraschende, ja beinahe skurrile Wendung. Der langen Streitigkeiten müde, baten die Angehörigen von St. Victor den Erzbischof um die Erlaubnis, ihre Stiftskirche am alten Standort in Weisenau wieder errichten zu dürfen, was ihnen auch gestattet wurde. Schon im Frühjahr 1756 sollte der Bau dort beginnen.

Doch überraschenderweise widersetzten sich nun die Stiftsherren von St. Johann diesem Auszug! Sie mussten eingestehen, dass ohne die offensichtlich doch fließenden Zahlungen von St. Victor nach diesem Auszug die Johanniskirche verfallen würde. Dementsprechend widerrief Erzbischof Johann Karl Friedrich von Ostein (1743-1763) seine Erlaubnis, was ihm vielleicht auch deshalb gelegen kam, da das Mainzer Erzstift seit 1747 bemüht war, die Weisenauer Immunität zu erwerben, was bei einer Wiederansiedlung des Victorstiftes an seinem alten Standort wohl nicht möglich gewesen wäre.

Empfohlene Zitierweise

Schmid, Reinhard: Mainz - St. Johannis. Das Stift St. Victor in der Johanniskirche. In: Klöster und Stifte in Rheinland-Pfalz, URL: <http:⁄⁄www.klosterlexikon-rlp.de//rheinhessen/mainz-st-johannis/das-stift-st-victor-in-der-johanniskirche.html> (Letzter Aufruf: 27.04.24)