Klöster Mosel-Saar

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Verfassungsordnung

0.1.Ständische Verhältnisse

Im Zusammenhang mit der ständischen Zusammensetzung des Kardener Kapitels resümiert Pauly (1986/116): Obwohl in den meisten Fällen über die Herkunft der Kanoniker und die sozialen Verhältnisse ihrer Familien nichts überliefert ist, lässt eine tiefer gehende Sichtung der Kanonikernamen und deren Umfeld den Schluss zu, dass in „jedem Zeitalter Angehörige der führenden Schichten ebenso vertreten waren wie die Söhne kleiner Leute“. Weiterhin ist davon auszugehen, dass „eine zu starke Position einzelner Gruppen von Fall zu Fall korrigiert werden konnte“.

Differenzierte Kriterien regelten die Aufnahme ins Kollegiatstift. Ständische Regelungen galten rechtlich nicht. Im 13. und 14. Jahrhundert traten Angehörige von adeligen Familien vor allem aus der Umgebung von Karden, vom Hunsrück und vom Maifeld besonders bei den Stiftsdignitäten wie Dekan, Scholaster, Kantor, Kustos stark in Erscheinung. Im 16. und 17. Jahrhundert diagnostizierte Pauly ähnliche Schwerpunkte bei den Angehörigen von einflussreichen Bürgerfamilien und im 17. und 18. Jahrhundert speziell Familien aus der Beamtenschaft des Kurfürstentums Trier und Verwandte von Verwaltern kleiner Adelsherrschaften. Entscheidende Voraussetzung für eine Aufnahme war die eheliche Abstammung. Alterskriterien für ein Kanonikat konnten von Pauly nicht festgestellt werden, es sei denn im Zusammenhang von Kanonikaten für zehnjährige Knaben (17., 18. Jahrhundert). Es handelte sich dabei nicht um einen geduldeten Missstand, sondern um „die Nutzbarmachung von Präbenden für Studienstipendien“ (Pauly 1986/72). Vorschriften gab es für die Studienaufnahme, die -dauer und den -nachweis. Auch die Zuständigkeiten und das Mitspracherecht vor dem Empfang der höheren Weihen waren schriftlich fixiert, jedoch von abnehmender Stringenz der Einhaltevorschriften geprägt.

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0.2.Verfassung und Verwaltung

Das Stift lebte nach einen ungeschriebenen Gewohnheitsrecht, von dem Teile von Fall zu Fall schriftlich präzisiert wurden, das je nach Notwendigkeit durch Abänderungen, Streichungen oder Einführung neuer Gewohnheiten ergänzt wurde (Pauly 1986/68). Anordnungen mit statutenhaftem Charakter konnten von Dekan und Kapitel, Propst, Erzbischof und Papst erlassen werden. Es sind Fälle bekannt, bei denen Beschlüsse des Kapitels außer Kraft gesetzt wurden, weil sich etwa die jährlich wechselnde Bestellung der einen oder anderen Funktion/Aufgabe in der Praxis wegen der Unerfahrenheit der Mitglieder nicht bewährt hatte. Pauly (1986/69) verweist u. a. auf folgende Bestimmungen:

  • Besitz von Eigentum und Wohnen in eigenen Häusern durch Kanoniker
  • Reduzierung von 24 auf 23 Kanonikate zur Finanzierung des Kirchenneubaus 1183
  • Balduins Zuweisung eines zweiten Kanonikats je an Dekan und Scholaster
  • nach vollzogener Visitation 1386 geänderte Bestimmungen über Kleidung
  • Aufhebung eines Beschlusses über eigenmächtig verkürzte Chordienste
  • Annullierung eines Beschlusses über das den alten Statuten widersprechendes Recht, die vollen Jahreseinkünfte dann zuzusprechen, wenn Kanoniker das Fest Johannes des Täufers überlebten
  • Bestimmungen über den Kauf freiwerdender Kanonikate
  • Rechte zur Verleihung der dem Stift gehörenden Pfarreien, Plebanien, Vikarien, Kapellen und Altäre (Pauly 1986, 68-116)

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0.3.Dignitäten und Ämter

Seit Ende des 11. Jahrhunderts bis zur Stiftsaufhebung 1802 ist das Amt des Archidiakons mit dem des Propstes von Karden verbunden, Angesichts der Herkunft aus dem Trierer Domkapitel ergibt sich ein Adelsprivileg als Voraussetzung für das Archidiakonat. Nach den Propstlisten lassen sich bis zum 18. Jahrhundert verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Pröpsten und Erzbischöfen erkennen. Mit der Verleihung des Archidiakonats ist die Verleihung der Propstei verbunden.

Nach der Statutensammlung aus dem 16. Jahrhundert stand derDekan an der Spitze der Gruppe von Dignitäten, zu denen auch Scholaster, Kantor und Kustos gehörten. Aufgrund einer Anordnung des Trierer Erzbischofs Balduin hatte der Dekan ein Recht auf die Einkünfte einer zweiten Kanonikerpräbende. Er besetzte eine Reihe von Vikarien, er hatte als Haupt des Kapitels für Ordnung und Würde des Chor- und Gottesdienstes zu sorgen, ihm unterstanden die Altäre der Vikarien, er trug die Verantwortung für das geistliche Leben und hatte u. a. den Mitgliedern des Kapitels viermal im Jahr als Beichtvater zur Verfügung zu stehen. Zu den weiteren Dignitäten siehe Pauly, 1986, Scholaster S. 124 f., Kantor S. 126 f., Kustos S. 127 f., zu den einzelnen Ämtern wie Kellner, Präsenzmeister, Fabrikmeister, Punktatoren, Paramentenmeister, Kapitelsekretär und Archivar S. 128-137, zu Kanonikern mit besonderer Rechtsstellung, wie Kapläne des Erzbischofs, die Assessoren des Koblenzer Offizialats, Inhaber der Universitätspfründe, Kanoniker im Studium sowie Senior, Subsenior und die anderen Senioren S. 137-141. Die Einsetzung und Besetzung der Vikarien sowie die Vikarien und Alterspfründe werden von Pauly auf den Seiten S. 141-177 dezidiert aufgearbeitet.

 

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0.4.Zahl der Mitglieder

Angaben über die Zahl residierender Kanoniker sind vom 11. bis 18. Jahrhundert den Zeugenlisten von Urkunden zu entnehmen. Das Testament eines Kanonikers aus dem Jahr 1084 nannte außer dem Testator 17 Kanoniker als Zeugen. Unter ihnen befanden sich auch der Probst und der Dekan. Sie besaßen neben der Amtstitulatur auch die eines Kanonikers. Doch damit war nach Pauly (1968/109) die Zahl der Kanoniker nicht umfassend zu beschreiben.

In einer Urkunde von Papst Sixtus IV. von 1471 über Patronatsverhältnisse wurden 22 Präbenden in Karden festgestellt. Diese Präbenden, in der Urkunde ausdrücklich mit 22 Kanonikern gleichgesetzt, erscheinen auch in den Präsenzrechnungen von 1782-1797.

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Empfohlene Zitierweise

Brauksiepe, Bernd: Treis-Karden - Ehem. Kollegiatsstift und Stiftskirche St. Castor (Karden). Verfassungsordnung. In: Klöster und Stifte in Rheinland-Pfalz, URL: <http:⁄⁄www.klosterlexikon-rlp.de//mosel-saar/treis-karden-ehem-kollegiatsstift-und-stiftskirche-st-castor-karden/verfassungsordnung.html> (Letzter Aufruf: 16.04.24)