Bau- und Kunstgeschichte Stift Pfalzel

0.1.Palatiolum

Nicht sehr groß, aber repräsentativ

Die festungsähnliche Villenanlage der kleinen Pfalz, die im heutigen Namen der Gemeinde weiterlebt, wurde nach Befriedung des Trierer Landes um 355 n. Chr. unter Kaiser Julian errichtet. Der im Vergleich zum Palatium, der kaiserlichen Residenz in Trier, nicht sehr große, dafür aber repräsentative Komplex hatte Außenmaße von ca. 56 x 65 m. Er bestand aus einem vierseitigen dreigeschossigen Gebäudekomplex, der um einen kreuzgangartigen Binnenhof (ca. 26 x 18 m) gruppiert war. Den vier Gebäudeflügeln wurden drei risalitartige, 5 m tiefe Turmbauten vorgesetzt. Bis auf eine westliche Zufahrt und zwei schmale Ausfallpforten besaß das Erdgeschoß mit seinem massigen Mauerwerk keine Durchgänge oder Fenster.

Aufwendige Innenausstattung

Stiftskirche - Altar[Bild: LandesMedienZentrum RLP]

Grabungen haben auf dieser Ebene insgesamt 28 Räume nachgewiesen. Das erste Geschoss wurde von großen Bogenfenster in den Türmen und Zwischenturmteilen geprägt; das zweite besass rechteckige Fenster an den Turmflächen. In den Zwischenturmteilen wurde die Wand durch drei weit gespannte Bögen mit Pfeilern und Wandlisenen aufgelöst. Den dritten Stock prägten Loggien zwischen den Risaliten.
Bodenplatten aus Marmor, in Glasmosaik gesetzte Schuppendekore in den Korbbögen, naturalistische Wandmalereien sowie eine Badeanlage mit der klassischen Dreigliederung von Caldarium, Tepidarium und Frigidarium kennzeichneten die aufwendige Innenausstattung. Architektonisch bedingt entsprach der Grundriss der auffallenden Anlage zwar nicht den gängigen Regeln der damaligen Festungsbaukunst. Dafür war es gelungen, auf allen Seiten des Gevierts wehrhafte und zugleich regelmäßig gegliederte Prachtfassaden zu schaffen.
Angesichts seiner strategischen Bedeutung zur Überwachung der vorbeiführenden Verkehrs- und Handelswegen war das Anwesen unter Kaiser Valentinian um 370 durch einen vorgelagerten einstöckigen Bau mit zellenartiger Innengliederung erweitert worden. Er hatte wohl einer militärischen Einsatztruppe als Kaserne gedient.
Den Komplex beschrieb Venantius Fortunatus um 588 in seinem Reisegedicht einer Moselfahrt des fränkischen Königs Childebert als „p r i s c a s e n a t u s“ - als älteren Adelssitz mit Grundherrschaft, allerdings in ruinösem Zustand.

Nach oben

0.2.Ehem. Kloster- bzw. Stiftsgebäude

Klosterkirche St. Maria, Stiftskirche

Während der Gründung des Klosters um 710 ermöglichten Wanddurchbrüche im Erdgeschoß des Palatiolums die Einrichtung einer zunächst niedrigen einschiffigen Kreuzkirche in der süd-östlichen Ecke des Gebäudekomplexes. Für Cüppers macht der archäologische Befund deutlich, dass zunächst das ganze Geviert des Palatiolums für das Kloster übernommen worden ist. Es umfasste zur Zeit des Besuchs von Bonifatius eine Kirche, die Wohnräume der Nonnen und eine Klosterschule. Die Kirche war in den Räumen 1, 2, 3 und 28 untergebracht. Für diesen Kirchenraum, dessen mittleres Quadrat bis zum zweiten Geschoss reichte und nach Osten und Süden zu den Turmvorsprüngen von weit gespannten Bögen begrenzt wurde, waren die Trennwände zum Raum 28 und die Mauern nach 2 und 3 gleichfalls in weite Bogenöffnungen umgewandelt worden. Über Zerstörungen durch die Normannenüberfälle schweigen sich die Quellen aus.
Die Vierung der Kirche war wohl noch im 10. Jh. zum Obergeschoß geöffnet und dadurch erhöht. 1027/28 wurden Gebäude und Besitzungen des Frauenkonvents von Poppo einer Klerikergemeinschaft übereignet, die deutlich weniger Mitglieder umfasste als der vertriebene Frauenkonvent. Aufgrund veränderter Bedürfnisse wurde der Kirchenraum durch den Abbruch weiterer Zwischenwände verlängert (Raum 4 und 5). Neben dem Rechteckchor wurden Chorkapellen mit Tonnengewölben gebaut. Noch im 11. Jahrhundert wurde der Chor durch eine Apsis verlängert, die Vierung um ein Geschoss erhöht. Im 13. Jahrhundert erhielt die flach gedeckte Kirche eine Einwölbung. Nach 1223 erfolgte der Einbau von Kreuzgratgewölben in Vierung, Chor und Schiff. Unter Erzbischof von Greiffenklau (1511-1531) entstand der Kreuzgang mit Wohnflügel. Die Petruskapelle, die heutige Klosterschenke an der Mosel, wurde um 1520 an der Ostseite der Kirche angefügt.

Vom Sommerpalast zur Bischofsburg

Bald nach der Umwandlung des Frauenklosters in ein Kanonikerstift ist im westlichen Teil des Gebäudekomplexes die bischöfliche Burganlage entstanden. 1131/32 erneuerte Erzbischof Albero das wohl größere, aber dafür ruinöse Palatiolum aufwendig. Es wurde künftig von ihm als Ausweich-Residenz (Heyen) genutzt. Um auch die Seiten der erzbischöflichen Burg abzusichern, werden die Mitteltürme 14 und 16 abgerissen. Aus dem Baurest, der sich aus den Räumen 15 bis 25 ergab, wurde ein tiefer Graben angelegt. Die Burg verfügte zunächst über eine Grundfläche von 64 mal 35,50 m. In den folgenden Jahren vergrößerten Ecktürme und eine Verteidigungsmauer mit Torturm das Areal. In Raum 18 entstand unter Nutzung römischer Grundmauern ein Bergfried. Der Torbau 20 blieb bestehen und diente als Zugang zum inneren Burgbering. Die Errichtung eines Palas machte die Auflassung der Räume 21 bis 23 notwendig. Mit diesen Maßnahmen schufen die Erzbischöfe eine umfassende Verteidigungsanlage geschaffen, die auch den Stiftsbering und die Kanonikerhäuser schützten.
Zwischen 1531 und 1540 ließ Erzbischof Johann III. von Metzenhausen die Festung Pfalzel mit mächtigen Geschützbastionen ausrüsten. Sie konnten jedoch 1552 die Zerstörungen durch Markgraf Albrecht Alkibiades von Baden und danach 1672/73 durch die Franzosen nicht verhindern.
Mit der Abtretung der linksrheinischen Lande an Frankreich erfolgte am 20. Juli 1802 die Aufhebung des Stiftes.

Marienstiftskirche der Pfarrgemeinde Sankt Marien – St. Martin, Trier- Pfalzel

Nach den Zerstörungen des 2. Weltkriegs wurden wesentliche Veränderungen am Gotteshaus vorgenommen, das sich seit dem 16. Mai 1927 wieder im Besitz der Pfarrgemeinde befindet. Weihnachten 1944 wurden Stiftskirche und historische Bauten in Pfalzel stark beschädigt. Aus dem Diözesanmuseum kam der Vorschlag, die teilweise zerstörte ehemalige Kloster- und Stiftskirche mit einem basilikalen Bau zu erweitern und dadurch zugleich das Denkmal zu retten. Der Trierer Architekt Heinrich Otto Vogel wurde mit dieser diffizilen Aufgabe betraut.
Anstelle des im Krieg zerstörten westlichen Kreuzarms wurde 1961/62 ein dreischiffiger Erweiterungsbau realisiert. Das ehemalige Kirchenschiff dient nunmehr als Altarraum und Querschiff. Die südliche Außenmauer mit der Marienkapelle wurde in den Neubau integriert. Sie wurde als Bauflucht des Palatiolums übernommen und bis zur Burg verlängert. Korrespondierend dazu galt auch die Bauflucht des Hofumgangs, um der Öffentlichkeit Ausdehnung und Volumen des römischen Baus zu vermitteln. Im Innern gliedern polygonale, schlanke Betonpfeiler und Arkaden das Mittelschiff. Die niedrigeren Seitenschiffe sind mit Holzdecken verkleidet.

Nach oben

0.3.Ausstattung der Kirche St. Maria

  • im ehemaligen Langhaus: zwei Beichtstühle des 18. Jahrhunderts mit aufwändigen Rocaillen im Giebel, die Fronttüre jeweils im Oberteil mit Vasenmotiv und Rankenfüllung, Madonna vom Sieg auf Weltkugel,
  • im östlichen Kreuzarm achtsitziges Chorgestühl Ende 18. Jahrhundert mit Schellenbändern,
  • in der südöstlichen Seitenkapelle an der Ostwand der obere Teil eines Epitaphs oder Altarretabels von 1542 aus hellem Sandstein: zwischen zierlichen, mit Pflanzenornamenten verzierten Pilasterrahmen, in deren Mitte Wappenmedaillons der Ahnen des 1557 verstorbenen Stifters, eine vielfigurige Kreuzigungsszene, rechts und links im Hochrelief die heiligen Bischöfe Martinus und Elegius,gestiftet von Johann Duingin aus Wittlich, Kanoniker und Scholaster des Stiftes, 1550/51 kurfürstlicher Kellermeister,
  • in der südöstlichen Seitenkapelle gegenüber an der Westwand ein Epitaph des am 16. Januar 1600 verstorbenen Petrus Homphareus aus Cochem, Pfarrer, Stiftsdekan sowie Lehrer und Rektor der Trierer Universität; aus hellem Sandstein (1,29 x 1,50 m), Inschrift als Sockel für ein Hochrelief mit der Auferstehung, wohl weitere Werkstattarbeit des Hans Ruprecht Hoffmann (Kanzeltor und Kanzel des Trier Doms).
  • links vor der Marienkapelle: Grabmal des 1568 vor den Toren Triers der Überlieferung nach im sogen. Bohnenkrieg verwundeten kurtriererischen Hauptmanns Pankratius Sauerzapf von Sulzbach, im Renaissancestil reich verzierte Grabplatte aus weichem, hellen Sandstein (1,04 x 2,85 m) über dem Inschriftfeld fast lebensgroß der Krieger, stilistisch dem Meister H. B. von Trier zugewiesen,
  • im Chor der Marienkapelle steinerne Muttergottes mit Kind und Buch, wohl trierische Arbeit aus dem späten 14. Jahrhundert,
  • hinten rechts an der Rückwand im neuen Langhaus nicht identifizierte Schrifttafel aus Sandstein mit 25 Zeilen fassender Inschrift, von Eierstabrahmen, Akanthus gefasst, von Putten in Ranken gehalten,
  • Grab der Adela, nach der Überlieferung an der Evangelienseite des vorderen Chorraums innerhalb des römischen Altbaus gelegen, bezeugt durch Urkunde vom 9. August 1802. Das Haupt und das Schienbein der Adela, das Haupt des Trierer Bischofs Maximin und die 1984 erworbene Reliquien des hl. Gregor von Utrecht/Pfalzel befinden sich heute in dem Reliquienschrein an der Westseite des Altares hinter einem Gitter.

Nach oben

Empfohlene Zitierweise

Brauksiepe, Bernd: Trier-Pfalzel - Stift Pfalzel. Bau- und Kunstgeschichte. In: Klöster und Stifte in Rheinland-Pfalz, URL: <http:⁄⁄www.klosterlexikon-rlp.de//mosel-saar/trier-pfalzel-stift-pfalzel/bau-und-kunstgeschichte.html> (Letzter Aufruf: 13.12.24)