Klöster in Rheinhessen
Geschichtlicher Abriss
Die Daten für die Gründung des Stiftes werden unterschiedlich angegeben. Der Lorscher Codex nennt das Datum 15.10.845; eine im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt befindliche Urkunde setzt das Jahr 848 an. Als Gründungsjahr nimmt die bisherige Forschung (Ph.W.Fabry, Villinger) allerdings das Jahr 847 an. In diesem Jahr wird die Neuweihe der bisherigen Dionysiuskirche zu Ehren Christi des Erlösers (Salvator), Mariens, des hl. Cyriacus und aller Heiligen erwähnt. Nach Ph.W.Fabry war König Ludwig der Deutsche (840/876), der erst 843 den ihm durch den Vertrag von Verdun zugefallenen Wormsgau in Besitz genommen hatte (Vertrag von Verdun) durch Güterschenkungen an der Gründung und vor allem Neuausstattung des Stiftes beteiligt. Es lag, so Ph.W.Fabry, daher in seinem Interesse, das Gebiet auch religiös-kulturell von den bisherigen fränkischen Einfluss zu lösen. Ph.Fabriy spricht von einem „Doppeleigentum“[Anm. 1]von König und Bischof. Der Umstand, dass das Cyriacusstift bei Nennung der Wormser Stifte in Urkunden an zweiter Stelle genannt wird, lässt Villinger auf ein hohes Alter des Stiftes schließen[Anm. 2]. Das immer wieder genannte Gründungsjahr ist 847[Anm. 3].
A.U.Friedmann geht davon aus, dass das Stift bereits im dritten Jahrzehnt des 9.Jhs. bestand[Anm. 4]. B.Schabel datiert die Gründung in den Zeitraum zwischen 799 und 823. Als ältesten Beleg nennt er dafür die „undatierte Stiftungsurkunde des Adeligen Adelbod“[Anm. 5], die einen Bischof Bernhar (799/823) als rector der Dinoysiuskirche nenne, in welcher der Körper des Cyriacus ruhe.
Als Gründer gilt der frühere Lorscher Abt und spätere Wormser Bischof Samuel (vor 840 / 7.2.856), der auch die Bibliothek des Stiftes mit einem größeren Bestand ausstattete, den er aus der Bibliothek des Klosters Lorsch abgezweigt hatte[Anm. 6].
Ab dem 11.Jh. zeichnete sich eine wachsende Verbindung des Stiftes zum Wormser Bischof ab; der Propst gehörte zu dessen engerem Beraterkreis.
In der Reihenfolge der Stifte wurde das Cyriacusstift bereits im 11.Jh. an zweiter Stelle hinter dem Wormser Domkapitel aufgeführt. Als besondere Wohltäter des Stifts bezeichnet das Chronicon Wormatiense für das 12.Jh. die Bischöfe Buggo (1116/1149) und Konrad von Steinach (1150/1171 (?) ).
Im Jahr 1221 nahm Papst Honorius III. (1216/1227) das Stift unter seinen Schutz und „bestätigte dessen Zubehör“[Anm. 7].
Im 13.Jh. kam es nach B.Schnabel zu Auseinandersetzungen des Stifts mit den Wormser Bürgern; die Friktionen wurden 1242 durch einen Vergleich beigelegt[Anm. 8].
In den bald folgenden weiteren Auseinandersetzungen standen 1259 einige der Stiftsherren auf Seiten der Bürgerschaft. Das Stift jedoch schloss sich, so Ph.W.Fabry, am 3.6.1260 in der Zeit der Auseinandersetzung zwischen den Wormser Bürgern und dem Klerus zusammen mit den übrigen Wormser Stiften einem Bündnis des Wormser Klerus gegen die Versuche, Rechte und Freiheiten des Klerus zu schmälern, an. Auf einen zunächst angestrengten Prozess wurde dann allerdings, wohl unter bischöflicher Vermittlung, verzichtet. Das Bündnis wurde 1263 erneuert.
Die Gebeine des Stiftsgründers, Bischof Samuel, der zunächst in Lorsch bestattet worden war, wurden 1273 nach Neuhausen überführt. Dadurch verlieh Bischof Eberhard Raugraf dem Stift einen Bedeutungszuwachs.
In einer vom 20.5.1283 datierten Urkunde ist die Rede davon, dass das Cyriacusstift wieder im Bündnis mit den anderen Wormser Stiften gegen die Bürgerschaft stehe. Die Bürgerschaft ihrerseits bestand auf ihren Rechten. Im Jahr 1288 zerstörte ein Aufgebot von Bürgern unter Führung von Konrad Holderbaumer und Graf Friedrich von Leiningen eine als Columbarium bezeichnete Burganlage, die sich im Stiftseigentum befand[Anm. 9]. Am 1.9.1288 führte der Wormser Bischof Simon von Schöneck einen Vergleich zwischen Bürgern und Stift herbei. Die Bürger sollten wegen der Zerstörung des Columbariums jährlich am Martinstag vier Pfund Heller Schadensersatz leisten, „die mit 110 Pfund abgelöst werden können“[Anm. 10].
Förderung erfuhr das Stift in den folgenden Jahren durch Bischof Eberhard von Strahlenfeld (1291?/1293), der Propst des Stiftes gewesen war. Ob damit die zunehmende Verehrung der Reliquien des hl. Cyriacus in Zusammenhang stehen, ist laut B.Keilmann nicht eindeutig nachweisbar[Anm. 11].
Zu Beginn des 14.Jhs. kam es zu Streitigkeiten zwischen Kaiser und Papst. Nach dem Tod des Bischofs Cuno von Schöneck (+ 8.6.1329) wurde das Bistum Worms „wieder einmal zum Spielball kurialer Politik“[Anm. 12]. Am 21.6.1329 providierte Papst Johannes XXII. (1316/1334) den Sohn des Mainzer Schultheißen Cleman, Subdiakon Salman, zum Bischof. Das Wormser Bistum war für Salman, der eine Dignität im Domkapitel nicht hatte erlangen können, ein „Entschädigungsobjekt“[Anm. 13].
Das Wormser Domkapitel, das Cyriacusstift sowie das Kollegiatstift St.Paul erkannten den durch die römische Kurie eingesetzten Bischof nicht an. Das Domkapitel wählte seinerseits Gerlach Schenk von Erbach zum Bischof, was das Schisma bedeutete. Das Cyriacusstift bezog eine „betont antipäpstliche Haltung“[Anm. 14]. In der Folge wurde das Interdikt verhängt. Gerlach starb ohne die Bischofsweihe empfangen zu haben im Jahre 1332. Ludwig der Bayer warnte vor der Anerkennung Salmans oder eines anderen durch den Papst providierten Kandidaten. Das Domkapitel lehnte Salman weiterhin ab und bestellte Diözseandministratoren. Erst 1341 zeigte sich das Domkapitel zum Einlenken bereit.
Die Gegner Bischof Salmanns mussten eine Schadenersatzsumme in Höhe von 16.000 fl. leisten, von denen 700 fl. auf das Cyriacusstift entfielen. Salman begab sich an die Kurie.
Papst Clemens VI. (1342/1352), er residierte in Avignon, verlieh ihm die Vollmacht, all denen Absolution zu erteilen, die ihm künftig folgen wollten. Vom 24.4.1343 datiert eine entsprechende Urkunde für das Liebfrauenstift, das St.Paulus-Stift und St.Cyriakus[Anm. 15].
Das Interdikt wurde nach dem Einzug von Bischof Salman (1329/1359) in Worms wieder aufgehoben.
In der zweiten Hälfte des 14.Jhs. vollzog sich eine deutliche Änderung.
Am 11.6.1364 erfolgte eine Erneuerung des Stiftsbündnisses vom 3.6.1260, an die sich auch das Cyriacusstift wieder anschloss. Die Spannungen zwischen Bürgerschaft und Klerus hatten wieder zugenommen. Im Herbst 1364 hielt sich der Wormser Bischof in Reichsangelegenheiten in Avignon, dem Sitz des Papstes, auf und konnte Papst Urban V. (1362/1370) veranlassen, den Grafen von Sponheim zu seiner (des Bischofs) Unterstützung aufzurufen und die Bürgerschaft dazu zu ermahnen, nicht die Rechte der Kirche zu schmälern (27.9.1364).
In einer Urkunde vom 28.10.1364[Anm. 16]finden sich Hinweise darauf, dass die Kurpfalz Schutzherrschaft und Schirmvogtei über das Cyriacusstift übernommen habe. Im Gegenzug versprach nach B.Schnabel das Stift – eine entsprechende Urkunde datiert vom 31.10.1364[Anm. 17]jährlich eine Seelenmesse für König Ruprecht und seine Vorfahren zu feiern.
Bischof Dietrich Beyer von Boppard wurde am 13.8.1365 zum Bischof von Metz ernannt. Die Nachfolge wurde „sehr zum Ärger des Domkapitels“ (Keilmann, S. 109) nicht durch Wahl, sondern durch päpstliche Provision entschieden. Bischof von Worms wurde so Johann Schadland, der sich im Sommer 1365 an der Kurie aufhielt. In Worms hatte Dietrich Beyer von Boppard einen Konflikt mit der Bürgerschaft hinterlassen, der nach wie vor schwelte.
Als in Auseinandersetzungen zwischen den Wormser Bürgern und dem Klerus ein Teil des Klerus vertrieben wurde, suchte er Zuflucht in Neuhausen, darunter Bischof Johann Schadland. Er fand „offensichtlich wesentlich weniger“[Anm. 18]Hilfe bei der Kurie, ebenso nicht durch den Kaiser. Am 25.1.1366 stifteten der Pfalzgraf sowie die Städte Mainz und Speyer Sühne zwischen Bischof Johann Schadland und den Wormser Bürgern[Anm. 19]. Schadland bestätigte die Privilegien der Bürger und löste sie am 31.1.1366[Anm. 20]von dem über sie verhängten Bann. Der Bischof konnte daraufhin Einzug in Worms halten.
Für das Jahr 1367 spricht B.Schnabel davon, dass der Kurfürst das Stift ebenso wie andere Wormser Stifte erneut unter seinen Schutz genommen habe.
Papst Gregor XI. (1370/78) bestätigte, so B.Schnabel, 1376 dem Dekan und Kapitel alle Freiheiten und Immunitäten, die seine Vorgänger gewährt hatten, ebenso wie die von weltlicher Seite gewährten Steuerfreiheiten; „der Papst folgte 1377 diesem Beispiel“[Anm. 21]. Die von C.J.Villinger vorgenommene Auflistung der auf das Cyriacusstift Bezug habenden Regesten weisen für das Jahr 1376 keine Urkunde aus. Eine Privilgienbestätigung des Papstes datiert vom 13.3.1377[Anm. 22].
Im Jahre 1382 wurde das Bündnis der Wormser Stifte einmal mehr erneuert,
Als 1385 der Klerus aus Worms auszog, weckte dies den Zorn der Wormser Bürger. Sie zogen, so Ph.W.Fabry, 1386 nach Neuhausen und zerstörten Kirche, Gebäude und Befestigungen. Es kam zu Todesfällen unter den Bewohnern des Stiftsbezirks, andere gerieten in Gefangenschaft. Der Schaden belief sich auf 30.000 Gulden. Die anderen Wormser Stifte standen dem Cyriacusstift in dieser Situation nach B.Schnabel nicht bei. Am 4.5.1386 befahl Papst Urban VI. (1378/1389) den Erzbischöfen von Trier und Mainz, das Interdikt über Worms zu verhängen. Die Vorgänge in Neuhausen finden sich in der päpstlichen Urkunde eigens genannt[Anm. 23]. Am 24./25.5.1386 wurde ein Waffenstillstand geschlossen.
Die Stadt Worms leistete Entschädigung, indem sie dem Cyriacusstift die steuerfreie Ausfuhr von Wein und Frucht gestattete.
Im Jahr 1392 war durch eine Rachtung das Verhältnis zwischen der Bürgerschaft und dem Bischof von Worms, Eckard von Ders (1371/1405), geregelt worden, doch nahmen die Spannungen bald wieder zu; der Erneuerung des Bündnisses der Stifte schloss sich das Cyriacusstift wieder an[Anm. 24]. Das Stift St.Cyriacus schloss sich nach 1392 jedoch keinem Stiftsbündnis mehr an, wohl weil die bisherigen Erfahrungen eher enttäuschend gewesen waren.
1398 gestanden die Stifte die Beschränkung ihres Weinausschanks bis 1404 zu. In dem sich nun zuspitzenden Verhältnis zwischen der Stadt Worms und dem Klerus erklärte sich das Stift 1404 aus Angst vor einer erneuten Plünderung für neutral.
Nachdem Bischof Johann von Fleckenstein nach seiner Wahl (1410) der Einzug in Worms verwehrt wurde, begab er sich 1411 ins Exil in das Cyriacusstift, in dem er früher die Propstwürde bekleidet hatte. In diesem Schritt sieht B.Schnabel einen Bedeutungszuwachs für das Stift[Anm. 25].
Auf dem Hintergrund der wie vor zwischen der Bürgerschaft von Worms und dem Klerus bestehenden Spannungen klagte 1406 das Cyriacusstift gegen die Stadt Worms wegen Frevel und Anwendung von Gewalt. Die Rede ist dabei von der Zerstörung von Stiftsgebäuden. Ein durch König Ruprecht 1407 veranlasster Schlichtungsversuch führte letztlich aber keinen dauerhaften Frieden herbei.
Im Lauf des 15.Jhs. vollzog sich eine immer stärker werdende Anbindung des Stiftes in den Rechtsbereich der Kurpfalz, was gleichzeitig eine immer stärker werdende Abhängigkeit bedeutete.
Bei der Zerstörung Neuhausens und des Stifts[Anm. 26]in der Fehde Friedrichs von der Pfalz mit dem Mainzer Erzbischof (1460) wurden auch die Reliquien des Stiftes entehrt. Der Cyriacussarg – C.J.Villinger vermutet, dass die Reliquien damals „nur in einem einfachen Behälter“[Anm. 27]ruhten - wurde geöffnet, um das Blei militärischen Zwecken zuzuführen. Später konnten die Reliquien aber im Wormser Dom geborgen werden. Nach dieser Zerstörung wurde das Stift – nicht zuletzt mit Hilfe päpstlicher Ablassbriefe - zwar wieder aufgebaut, erholte sich aber nicht mehr dauerhaft.
Am 24.8.1495 bestätigte Kaiser Maximilian die Privilegien des Stifts[Anm. 28]. Eine weitere Privilegienbestätigung erfolgte am 13.2.1498[Anm. 29].
Das 16.Jh. bedeutete für das Stift, das in Urkunden als königliches Stift bezeichnet wurde (1551, 1561, 1563), die Zeit der Krise, die schließlich zum Untergang führte.
Während des Landshuter Krieges baten die Kanoniker des Cyriakustiftes am 24.5.1504, nachdem ein Fehdebrief am Stift angeschlagen worden war, den Wormser Stadtrat um Aufnahme in die Stadt. Es erschienen „herr Heinrich senger, herr Jacob Rothaar, herr Bernhard Bierbaum, canonici und herr Jost Hasz, herr Jörg Erbacher vicarii daselbs (!) und hatten zu einem redner mit genommen M.Hans Diefenberg der zit official, und baten in einer summa uf das allerfreundlichst, so sie möchten, dasz man in und irem gesinde wieder die pforten und eingang in die stadt vergunstigen, ...wolten“[Anm. 30]. Der Rat der Stadt war im Mai 1504 allerdings nicht zu einer bedingungslosen Aufnahme der Stiftsherren in die schützenden Mauern bereit, sondern knüpfte sie „an wichtige Zugeständnisse“[Anm. 31], die das Stift jedoch nicht leisten wollte. Im Dom geborgen wurden in dieser Zeit allerdings die Cyriacusreliquien. Am Pfingstdienstag (=28.5.) zogen die Stiftsherren, so berichtet das Chronicon Wormatiense, von Neuhausen nach Worms. 200 Bewaffnete, der Rat der Stadt sowie Vertreter der Zünfte kamen der Prozession entgegen „und drugen die canonichen zu Nuhusen den heiligen selbst bis in den thum“[Anm. 32].
Kaiser Karl V. bestätigte 1521 die jüngsten Urkunden (24.8.1495 / 13.2.1498) über Rechte und Privilegien des Stiftes[Anm. 33].
Im Jahr 1525 erfolgte die Brandschatzung des Stiftes während des Bauernkrieges, in dem sich „der lange aufgestaute Pfaffenhaß“[Anm. 34]entlud. Aus dem Stift nahmen an diesen Krieg auf der Seite der Aufständischen der Kanoniker Philipp Schenkel und der aus Werden stammende Kanoniker Sixtus Maier (auch Meyer) teil[Anm. 35]. Man hatte mit einem Überfall gerechnet und einmal mehr die Reliquien in Worms in Sicherheit gebracht. Das Stift sei im Bauernkrieg, so B.Schnabel, besetzt und „wohl auch verwüstet“[Anm. 36]worden.
Nicht nur äußere Ereignisse bezeichneten die Krise des 16.Jhs. B.Keilmann spricht von einer „desolaten Disziplin unter den Kanonikern“[Anm. 37].
Am 9.5.1565 erfolgte die gewaltsame Auflösung durch Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz, nachdem sich die Stiftsherren geweigert hatten, sich der Reformation anzuschließen. Nur ein Kanoniker, Bawerßheim, hatte sich dem neuen Glauben angeschlossen. Die Stiftskirche wurde verwüstet, das Sakramentshäuschen aufgebrochen, Bilder und Kultgegenstände zerstört. Die Reliquien waren einmal mehr in Sicherheit gebracht worden. Noch 1660 befanden sie sich nach einem Bericht von Daniel Papebroch, SJ im Dom zu Worms: Vier Stufen, berichtete er, führten in einen unter dem Hochaltar gelegenen Raum, der zur Aufbewahrung von Reliquien diente, „dort sahen wird die Gebeine aus der Leibesmitte des Heiligen Cyriacus“[Anm. 38]. Nach C.J.Villinger gingen sie wahrscheinlich beim Dombrand des Jahres 1689 unter.
Das Schicksal der Stiftsherren wird von Ph.W.Fabry und C.J.Villinger angesprochen. Nach C.J.Villinger begaben sich die meisten von ihnen nach Weißenburg/Els.[Anm. 39]. Nach Ph.W.Fabry fanden Stiftsherren nach ihrer Entlassung aus pfälzischer Haft Aufnahme am Wormser Dom[Anm. 40].
Die Rechtsverhältnisse charakterisiert Ph.W.Fabry als für diesen Zeitraum „verworren“[Anm. 41]. Sowohl der Bischof als auch der Kurfürst von der Pfalz beanspruchten die Obrigkeit über Neuhausen und damit über das Stift. Der Kurfürst berief sich auf die ihm zustehende Landeshoheit und führte als Argument für sein Eingreifen und die Auflösung der Stiftes den wenig erbaulichen Lebenswandel der Stiftsmitglieder an.
Ein kaiserliches Restitutionsmandat vom 20.7.1565 blieb ohne rechtliche Wirkung.
Am 19.11.1565 klagten Propst, Dekan und Kapitel beim päpstlichen Legaten Zacharias Delphinas gegen die gewaltsame Inbesitznahme des Stifts. Der Legat wandte sich an den Kaiser, der juristische Schritte einleitete.
Kurfürst Friedrich von der Pfalz ließ in den Gebäuden die sog. „Fürstenschule“ einrichten.
Vom 14.5.1566[Anm. 42]datiert eine Relation der Kurfürsten, Fürsten und Stände, die dem Reichstag übergeben wurde. Auf dem Reichstag zu Augsburg empfahlen am 2.5.1566 die Stände dem Kaiser abermals die Restitution des Cyriacusstiftes. Zwar wurde ein weiteres kaiserliches Dekret ausgestellt, doch auch jetzt erfolgte keine Umsetzung. Angesichts der drohenden „Türkengefahr“ vermied man eine Brüskierung des Kurfürsten von der Pfalz. Im Juni 1566 antwortete der Kurfürst von der Pfalz und rechtfertigte sein Vorgehen[Anm. 43].
Im gleichen Jahr verlangte – ebenso erfolglos - ein an den Kurfürsten gerichtetes päpstliches Dekret Pius V. (1566/1572) vom Kurfürsten die Rückgabe des Stiftes[Anm. 44].
Ebenso nicht zum Ziel führte die 1567 durch den Reichstag angeordnete Restitution.
Kaiser Maximilian II. setzte 1571 eine Kommission ein, die den Streit um das Cyriacusstift zu einer gütlichen Einigung führen sollte, doch blieben die Bemühungen (als Schlichtungstag war der 25.1.1573 angesetzt) auch jetzt ohne Wirkung. Die Einkünfte des Stiftes flossen zu diesem Zeitpunkt bereits an die Fürstenschule in Neuhausen.
Ein Dekret Kaiser Maximilians an Kurfürst Friedrich III. vom 10.10.1576, das abermals die Rückgabe des Stifts forderte, zeitigte ebenso keinen Erfolg.
Nach dem Tod des reformierten Kurfürsten von der Pfalz hob sein Nachfolger, Kurfürst Ludwig IV. von der Pfalz, der dem lutherischen Bekenntnis folgte, 1577 die Fürstenschule auf.
Nach dem Niedergang der Schule wurden die Einkünfte des Stifts 1578 der Universität Heidelberg zugewiesen die durch den Pfälzischen Krieg Einbußen an ihren aus Neuhausen fließenden Einnahmen erlitten hatte. Weitere Mittel wurden zur Finanzierung des Casimirianums in Neustadt verwendet.
Bischof Georg von Schönenburg (1580/1595) ließ seine Beschwerden für den Reichstag in Regensburg in einer eigenen Denkschrift zusammenfassen, die am 21.7.1590 verlesen wurde. Einen wichtigen Punkt bildete dabei einmal mehr die Restitution des Cyiacustiftes.
Der Bischof von Worms nahm nach C.J.Villinger 1616 das Stift vorübergehend wieder in Besitz[Anm. 45], „nicht mehr jedoch als geistliche Einrichtung“[Anm. 46]. Eine Änderung der Situation bedeutete nach Ph.W.Fabry der im Dreißigjährigen Krieg 1621 erfolgte „Zusammenbruch der Kurpfalz“[Anm. 47]. Die Verwaltung des Stiftes fiel nun an den kaiserlichen Reichsstatthalter in Heidelberg. Nach mehreren Demarchen, so Ph.W.Fabry, sei dem Wormser Bischof das Stift überlassen worden. An seine Restitution sei „aber auch nicht zu denken“[Anm. 48]. Der Wormser Bischof habe vielmehr versucht, beim Papst die Incorporierung des Stiftes bzw. seiner Einkünfte für den bischöflichen Tisch zu erreichen. Ein solches Gesucht nennt C.J.Villinger in seiner Zusammenstellung von auf das Cyriacusstift bezug habenden Regesten mit dem Datum vom Gesuch vom 19.5.1623[Anm. 49].
Am 5.11.1626 stimmte Papst Urban VIII. (1623/1644) der Überlassung des Stiftes an dem Wormser Bischof Georg Friedrich Greiffenclau zu Vollrads (1616/1629) zu. Die Einkünfte, die der bischöflichen Tafel incorporiert wurden, betrugen 800 Dukaten. Der Bischof wiederum incorporierte nach Ph.W.Fabry das Stift Neuhausen dem Wormser Liebfrauenstift[Anm. 50].
Weitere Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Frieden von Münster und Osnabrück blieben erfolglos. Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz, so C.J.Villinger, habe die Rückgabe des Cyriakusstiftes an den Bischof „nicht miteinbezogen“[Anm. 51].
Am Reichsdeputationstag in Frankfurt beklagte sich am 3.3.1656 Bischof Hugo Eberhard Cratz von Scharffenstein (1654/1663) dass ihm das Stift weiter vorenthalten werde.
Ph.W.Fabry spricht schließlich von erfolglosen Appellationen von Kaiser Leopold an die Kurpfalz (1659) und einer ebenso erfolglosen Bitte des Wormser Bischofs (1687) um Rückgabe des Stiftes nach dem Übergang der Kurpfalz an die katholische Linie Pfalz-Neuburg. Angeblich, so Villinger, konnten die Katholiken 1699 allerdings die Kirche wieder in ihren Besitz bringen.
Um das Stift und seine Einkünfte wurden 1701 die Verhandlungen mit dem Kurfürsten von der Pfalz wieder aufgenommen. Bischof von Worms war damals Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1694/1732), der Bruder des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz.
Erst am 2.9.1705 kam es zum Vergleich zwischen dem Kurfürsten von der Pfalz und dem Bischof von Worms, der 1708 vollzogen wurde. Der Kurfürst verpflichtete sich zur Herausgabe des Stiftes und seines Besitzes. Der Bischof von Worms verzichtete auf die bisherigen Nutzungsansprüche, auf die dem Hochstift zustehenden Rechte und andere geistliche Güter, die im Besitz der Pfalz waren sowie auf die vollständige „Rekatholisierung“ Neuhausens. Dort sollte der konfessionelle Status vom 2.9.1705 Bestand haben. C.J.Villinger nennt dann einen vom 30.1.1706 datierenden Tauschvertrag[Anm. 52].
Am 15.10.1706 wurde das Stift übergeben. „Eine feierliche Messe in der Stiftskirche bildet den Höhepunkt der Festlichkeit“[Anm. 53].
Es kam in der Folge allerdings nicht wieder zur Besetzung von Kanonikaten.
Durch Bischof Franz Ludwig von Pfalz Neuburg (1694/1732) erfolgte 1730 die Umwandlung in ein Waisenhaus. Neben den privaten Mitteln des Bischofs und Einkünften des Stiftes wurden dazu die Einkünfte des früheren Dominikanerklosters Liebenau eingesetzt.
Ein kaiserliches Dekret Napoléons vom 18.6.1801 verfügte, dass die Einkünfte des Stiftes in eine sozialen Zwecken dienende, durch eine zivile Kommission unter dem Vorsitz des Bürgermeisters von Hochheim verwaltete Zivilstiftung fließen sollten.
Das Stift verfügte über eine Bibliothek, deren Bestände jedoch heute weitgehend verloren sind. Villinger nennt als erhaltene Bücher das von Conrad von Danne in Auftrag gegebene sog. Speyerer Evangelistar (Codex Bruchsaliensis, ca. 1197; heute in Landesbibliothek Karlsruhe).
Anmerkungen:
- Ph.W.Fabry, S.19 Zurück
- Vgl. Villinger, S.13 Zurück
- Vgl. Brühl, S. 264 Zurück
- Vgl. Friedmann, S. 20 Anm. 13 Zurück
- Schnabel, S. 184 Zurück
- Vgl. Friedmann, S. 20 Zurück
- Schnabel, S.185 Zurück
- Vgl. Schnabel, S. 186 Zurück
- Vgl. Schnabel, S. 186; Villinger S. 80, Reg. Nr. 68 Zurück
- Villinger, S. 80, Reg. Nr. 69 Zurück
- Vgl.Keilmann, S. 81 Zurück
- Keilmann, S. 92 Zurück
- Keilmann, S. 92 Zurück
- Schnabel, S. 186 Zurück
- Vgl. Boos UB II, Nr, 328 Zurück
- Vgl. Villinger, S.85, Reg, Nr. 103 Zurück
- Vgl. Villinger, S.85, Reg, Nr. 104 Zurück
- Keilmann, S.109 Zurück
- Boos UB II, Nr. 607 Zurück
- Vgl. Villinger, S. 86, Reg.Nr.106 Zurück
- Schnabel, S. 187 Zurück
- Vgl. Boos UB II, Nr. 722, Villinger, S.86, Reg, Nr 113 Zurück
- Vgl. Boos UB II, 873 Zurück
- Vgl. Schnabel, S, 187 Zurück
- Vgl. Schnabel, S. 188 Zurück
- Vgl Boos, UB II, S. 88-89 Zurück
- Villinger S. 36 Zurück
- Vgl. Villinger, S. 96, Reg. Nr. 192 Zurück
- Vgl. Villinger, S.96, Reg. Nr. 196 Zurück
- Boos, Annalen, S. 487 Zurück
- Keilmann, S. 155 Zurück
- Boos, Annalen, S. 489 Zurück
- Vgl. Villinger, S. 100, Reg. Nr. 223 Zurück
- Keilmann, S. 164 Zurück
- Vgl. Villinger, S. 100, Reg. Nr. 224 a Zurück
- Schnabel, S. 204 Zurück
- Keilmann, S. 178 Zurück
- Kindermann, S. 93 Zurück
- Vgl. Villinger, S. 36 Zurück
- Vgl. Fabry, S. 26 Zurück
- Fabry, S.26 Zurück
- Vgl. Villinger, S. 102, Reg. Nr. 236 Zurück
- Vgl. Villinger S. 102, Reg. Nr. 238 Zurück
- Vgl. Villinger, S. 102, Reg.Nr. 239 Zurück
- Vgl. Villinger, S. 104, Nr. 250 Zurück
- Schalk, S. 15 Zurück
- Fabry, S. 27 Zurück
- Fabry, S. 27 Zurück
- Vgl. Villinger, S. 104, Nr. 252 a Zurück
- Vgl. Fabry, S. 27 Zurück
- Villinger, S.70, S. 104, Nr. 254 Zurück
- Vgl. Villinger, S. 105, Nr. 261 Zurück
- Fabry, S. 28 Zurück
Empfohlene Zitierweise
Rommel, Martina: Worms - Neuhausen, St. Cyriacus. In: Klöster und Stifte in Rheinland-Pfalz, URL: <http:⁄⁄www.klosterlexikon-rlp.de//rheinhessen/worms-neuhausen-st-cyriacus.html> (Letzter Aufruf: 10.10.24)