Religiöses und spirituelles Wirken Kloster St. Alban (Mainz)

0.1.Tochtergründungen

St. Justin in Höchst (heute Stadt Frankfurt/Main). 1090 übertrug Erzbischof Ruthard von Mainz (1089 – 1109) St. Alban die aufgrund ihres hohen Alters baufällig gewordene Justinuskirche in Höchst mit der Bestimmung, hier ein Mönchskloster zu errichten. Bis 1419 war St. Justin Propstei des Klosters und wurde im Zusammenhang der Umwandlung in ein weltliches Kollegiatstift dann an Erzbischof Johann II. von Nassau (1397 – 1419) übergeben.

Bischofsberg im Rheingau. Wahrscheinlich nur wenige Jahre nach St. Justin übertrug Ruthard mit dem gleichen Auftrag St. Alban den Bischofsberg im Rheingau. Das hier entstandene Kloster trug zunächst ein Nikolaus-, dann erst das Johannespatrozinium (=das heutige Johannisberg). Schon 1130 wurde es aber von Erzbischof Adalbert I. von Saarbrücken (1109/11 – 1137) wieder aus seiner Abhängigkeit von St. Alban  befreit.

Weimar (heute OT von Ahnatal, Kreis Kassel). Von zwei Laien erhielt St. Alban 1097 eine Kapelle und Besitz in Weimar und anderen Orten der Umgebung mit der Bestimmung geschenkt, in Weimar ein Mönchskloster zu errichten. Auch hier war der Aufbau erfolgreich, 1209 ist ein Propst nachweisbar. Vor 1302 muss diese Propstei jedoch eingegangen sein, da in diesem Jahr  St. Alban seinen Hof in Weimar mit allem Zubehör einschließlich des Patronatsrechtes an der Weimarer Kirche dem Kloster Ahnaberg bei Kassel verkauft.

Nach oben

0.2.Inkorporierte Pfarreien, Patronatsrechte

Altenburg (ehemaliges Römerkastell bei Idstein-Heftrich, Rheingau-Taunus-Kreis),  Bermersheim (Kreis Alzey-Worms), †Bleidesheim (Wüstung zwischen Hahnheim, Undenheim und Sörgenloch), Bodenheim (Kreis Mainz-Bingen), Bruchenbrücken (Stadtteil von Friedberg/Hessen, Wetteraukreis), Büdesheim (Stadtteil von Bingen), Deutenheim (Kreis Neustadt a.d. Aisch – Bad Windsheim/Mittelfranken), Dietersheim (Stadtteil von Bingen), Dotzheim (Stadtteil von Wiesbaden), Ebersheim (Stadtteil von Mainz), Eichloch (heute Wörrstadt-Rommersheim, Kreis Alzey-Worms; nachweisbar seit 1401), Elben und Elberberg (heute zusammengefasst als Elbenberg, Stadtteil von Naumburg/Hessen, Kreis Kassel; seit 1386), Flonheim (Kreis Alzey-Worms; das Patronatsrecht wurde abwechselnd mit der Trierer Abtei St. Maximin ausgeübt. 1181 wurde es dem Augustiner-Chorherrenstift Flonheim übertragen), Gabsheim (Kreis Alzey-Worms), Gau-Bischofsheim (Kreis Mainz-Bingen), Leeheim (Gemeinde Riedstadt, Kreis Groß-Gerau), Mainz, St. Nicomedes (Mitte des 11. Jahrhunderts dem neugegründeten Kloster St. Jakob übertragen), Mainz, St. Nikolaus auf der Steig, Medenbach (heute Stadtteil von Wiesbaden), Mörfelden (heute Mörfelden-Walldorf, Kreis Groß-Gerau), Mommenheim (Kreis Mainz-Bingen), Nieder-Wöllstadt (Ortsteil von Wöllstadt, Wetteraukreis), Oberdorfelden (Gemeinde Schöneck, Main-Kinzig-Kreis), Oberneisen (Rhein-Lahn-Kreis), Ober-Wöllstadt (Ortsteil von Wöllstadt, Wetteraukreis), Okriftel (heute Stadtteil von Hattersheim am Main, Main-Taunus-Kreis), Röddenau (heute Stadtteil von Frankenberg/Eder, Kreis Waldeck-Frankenberg), Sarmsheim (heute Münster-Sarmsheim, Kreis Mainz-Bingen; 1266 dem Mainzer Stift St. Stephan inkorporiert, †Seilfurt (Wüstung bei Rüsselsheim, Kreis Groß-Gerau), Stockstadt am Rhein (Kreis Groß-Gerau), †Strassheim (Wüstung zwischen Ockstadt und Nieder-Rosbach bei Friedberg, Wetteraukreis), Trebur (Kreis Groß-Gerau), Udenheim (Kreis Alzey-Worms), Undenheim , Zornheim (beide Kreis Mainz-Bingen).

Nach oben

0.3.Konventsmitglieder als Ordensobere, Visitatoren, Leiter anderer Einrichtungen

  • Abt Gebeno (erwähnt 1218 – 1220) : 1219 Personalunion mit der Abtei St. Marcellinus und Petrus in Seligenstadt.
  • Wahrscheinlich Abt Gunzechin (1220?: 1223 - ?) :1235 Personalunion mit der Abtei St. Ferrutius in Bleidenstadt.
  • Abt Rudolf I. (1251 – 1269): 1268 Personalunion mit der benachbarten Abtei St. Jacob.

Nach oben

0.4.Gebetsverbrüderungen

  • 1047: Stift St. Alban in Namur
  • Mitte 11. Jahrhundert: Kloster Echternach
  • Mitte 12. Jahrhundert: Augustiner-Chorherrenstift Marbach im Elsass
  • 1219: St. Marcellinus und Petrus in Seligenstadt
  • 1254 März: Zisterzienserinnenkloster St. Georg bei Frankenberg (Erneuerung)
  • 1254 April 27: Domkapitel Mainz (Erneuerung)
  • 1283 Juni 20: Kloster Eberbach im Rheingau (erneuert 13. Mai 1358)
  • 1291 Januar 1: Kloster Arnsburg
  • 1309 Oktober 5: Stift St. Philipp in Zell (Pfalz)
  • 1371 August 20: Kloster St. Emmeram in Regensburg (Erneuerung)
  • 1383: Kartause St. Michaelsberg bei Mainz
  • 1387 Februar 11: Kartause St. Alban bei Trier.

Nach oben

0.5.Grablegen

In der Klosterkirche fanden fast alle Erzbischöfe von Richulf († 813) bis Rupert († 975) ihre letzte Ruhestätte. Dass St. Alban als angestammte Grablege der Mainzer Oberhirten empfunden wurde, bewies Erzbischof Hiltibert (927-937)  im Jahre 935, als er die Gebeine von 10 spätrömischen und fränkischen Bischöfen aus der Zeit vor Bonifatius aus der verfallenen Hilariuskapelle im Zahlbacher Tal nach St. Alban transferieren und sie hier vor dem Altar der Apostel in einem gemeinsamen Sarkophag beisetzen ließ.

794 ließ Karl der Große seine am 10. August in Frankfurt verstorbene Gemahlin Fastrada wohl auf Bitten von Erzbischof Richulf hin in St. Alban beisetzen. Neben zahlreichen weltlichen Großen, auch der Ludowinger-Stammvater Ludwig der Bärtige († 1054) soll hier bestattet worden sein, wurden in der Klosterkirche auch drei Kinder Ottos I. zur letzten Ruhe gebettet: seine Tochter Liutgard († 953), der Schwabenherzog Liudolf († 957) und natürlich auch sein Sohn Wilhelm († 968), der Mainzer Erzbischof. Erwähnt werden soll schließlich noch der Mönch Ekkehard II. von St. Gallen, Dompropst und Domscholaster, der 990 in St. Alban seine letzte Ruhestätte fand.

Nach oben

0.6.Zugehörigkeit zu geistlichen Strömungen und Reformbewegungen

Aufgrund des Fehlens aussagekräftiger Quellen können  über die monastische Formung von St. Alban im 10. Jahrhundert und mögliche  Reformtendenzen in dieser Zeit nur vage Vermutungen angestellt werden. Die Äbte der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts sind in Verbindung mit den Klöstern Fulda und Echternach  nachweisbar. Im 11. Jahrhundert lässt sich dann zunächst, namentlich anhand der Nekrologverbindungen, eindeutig Gorzer Prägung nachweisen. So etwa bei dem erstmals 1017 erwähnten Abt Gerbert, der in den Nekrologen der Klöster Fulda und Weissenburg genannt wird. Auch der aus Fulda kommende und 1062 verstorbene Abt Bardo, Neffe des gleichnamigen Mainzer Erzbischofs, hatte engen Kontakt zu den lothringischen Reformkreisen des 11. Jahrhunderts. Sein Nachfolger, Abt Arnold I. (1062-1074) dehnte seine lothringisch geprägte Nekrologbezeugung noch weiter aus. Sogar in den Totenbüchern von Prüm, Tegernsee und Weihenstephan findet sich sein Name. Sein Nachfolger Gottschalk (1074 -1085 abgesetzt) kam aus dem Kloster Gorze; die von ihm in St. Alban eingeleitete Reform wäre demnach der Terminologie Hallingers folgend als junggorzisch zu bezeichnen. Dementsprechend wird sein Name auch nicht mehr in den Totenbüchern (alt) –gorzisch geprägter Klöster genannt. Von Abt Gottschalk erbat sich Bischof Benno II. von Osnabrück im Jahre 1082 zur Gründung des Klosters Iburg zwölf Mönche. Da er hierzu aber auch noch Mönche aus Klöstern anderer Reformrichtungen hinzuzog, kam es zu Streitigkeiten, weshalb die Mönche von St. Alban bald wieder zurückgesandt wurden. Ob dies der Grund war, weshalb Gottschalk 1085, wahrscheinlich sogar während einer in seinem Kloster tagenden Synode, abgesetzt wurde, kann nicht gesagt werden. Unter seinem Nachfolger Abt Adelmann  (1085-1095/96) änderte sich die Observanz von St. Alban dann in Richtung auf Hirsauer Gedankengut. Hierauf weist nicht nur der Umstand, dass im 1091 geweihten Hochaltar von Hirsau auch Albansreliquien verwahrt wurden, sondern noch mehr die Weihe des Abtes Volmar von Hirsau am 4. April 1120 durch Erzbischof Adalbert I. in St. Alban. Volmar hielt sich auch in den folgenden Jahren häufiger in Mainz auf, wo er in den Zeugenlisten erzbischöflicher Urkunden vom März 1143 gemeinsam mit Abt Werner I. von St. Alban genannt wird,  bezeichnenderweise aber stets erst nach diesem. Für die nunmehr hirsauische Prägung von St. Alban spricht schließlich auch die Zuwendung, die das Kloster von dem Mainzer Bürger und Ministerialen Wignand  erfuhr. Dieser hatte schon Abt Wilhelm von Hirsau unterstützt und stiftete zusammen mit Graf Burchard von Komburg das Kloster Komburg. Er war aber auch ein Wohltäter von St. Alban, seine beiden Töchter Gepa und Rilint, möglicherweise auch er selbst, fanden hier schließlich  Aufnahme.

Nach oben

0.7.Reliquien

Neben dem Patron selbst, dem heiligen Alban, waren in der Klosterkirche noch zwei weitere Lokalheilige bestattet, nämlich der römische Mainzer Bischof Aureus und seine angebliche Schwester Justina, bei der es sich aber, neueren Forschungen zufolge, ursprünglich eher um einen Diakon Justinus gehandelt haben dürfte.

Von Erzbischof Otgar (826-847) erhielt St. Alban Reliquien des Bischofs Severus von Ravenna, der Vincentia und der Innocentia. Otgar hatte auch der Justinuskirche in Höchst Reliquien ihres Patrons übereignet, die, nachdem St. Justin Propstei geworden war, nach St. Alban überführt wurden.

Den Gewohnheiten der Zeit entsprechend hatte St. Alban natürlich auch im Zusammenhang seiner Gründung und anlässlich der Beisetzung Fastradas 794 zahlreiche wertvolle Reliquien erhalten. Im Jahre 1353, als der leidenschaftliche Reliquiensammler Karl IV. (1346-1378) einen Teil davon erhielt, erfährt man hierüber Genaueres. Demnach handelte es sich dabei um Reliquien vom Abendmahlstisch, von der Windel, in die nach der evangelischen Wahrheit , wie es heißt, Christus eingehüllt war, vom Schweißtuch Christi sowie um einen großen Teil vom Haupt des Märtyrers Vincentius. Karl IV. hebt in seiner Urkunde hervor, dass das Kloster St. Alban diese Reliquien einst von Karl dem Großen geschenkt bekommen hatte, aus Liebe zu seiner Gemahlin Fastrada, die hier begraben ist. Weiterhin erhielt Karl IV. noch einen großen Teil vom Körper des heiligen Alban und vom Haupt der Jungfrau und Märtyrerin Justina sowie einen Teil vom Arm des heiligen Aureus.

Zum Reliquienschatz von St. Alban gehörten außerdem noch ein großer Teil des Körpers von St. Ferrutius, ein Arm des heiligen Stephanus, das Haupt der Anastasia, Reliquien von St. Vitus, der heiligen Theodorius und Sergius sowie ein großer Teil vom Kreuz Christi.

Nach oben

0.8.Literarische, wissenschaftliche und künstlerische Betätigung

In den beiden ersten Jahrhunderten ihres Bestehens war die Abtei St. Alban auch ein blühendes kulturelles und geistiges Zentrum. Aufgrund des völligen Ausfalls der Überlieferung in dieser Zeit weiß man hierzu allerdings leider nur sehr wenig, genau wie sich als Folge der schweren Zerstörungen und Plünderungen 1329 und vor allem 1552 nur noch sehr wenige Erzeugnisse des Skriptoriums und der Handschriften aus der Bibliothek erhalten haben, die eindeutig St. Alban zugewiesen werden können. Die Klosterschule erlebte unter Erzbischof Hrabanus Maurus (847-856) eine besondere Blüte und stand auch in Beziehungen zur karolingischen Hofschule. Seinen geistigen Höhepunkt erlebte St. Alban dann zur Zeit der Ottonen, wo es zum wichtigsten Zentrum ottonischer Liturgie wurde. In St. Alban entstand in den Jahren nach 950 und vor der Kaiserkrönung Ottos I. 962 mit dem sogenannten Mainzer oder ottonischen Pontificale ein umfassendes Formel- und Anweisungsbuch für die liturgischen Handlungen der Bischöfe und die dazugehörigen Gebete, wozu auch die Gebete für die Herrscherweihe gehörten. Es wurde schnell für das gesamte Ottonenreich maßgebend und wurde um 1000 auch in Rom übernommen. Auf diese Weise gewann es weltweite Gültigkeit in der römisch-katholischen Kirche und bildet die Grundlage für alle heute in Gebrauch befindlichen Pontificale und Rituale. Es gilt als „der beste Repräsentant der ottonischen Reichskirche und [als] ein Hauptzeuge für die Weltstellung des Ottonenreichs überhaupt“  (C. Erdmann, Forschungen zur politischen Ideenwelt des Frühmittelalters, Berlin 1951, S. 52). Im Zusammenhang mit diesem Pontificale wurde in St. Alban mit dem ältesten deutschen „Ordo“, dem sogenannten „Krönungsordo“, auch die Krönungsliturgie für die Kaiserkrönung Ottos I. in Rom 962 verfasst.

Nach oben

Empfohlene Zitierweise

Schmid, Reinhard: Mainz - St. Alban. Religiöses und spirituelles Wirken. In: Klöster und Stifte in Rheinland-Pfalz, URL: <http:⁄⁄www.klosterlexikon-rlp.de//rheinhessen/mainz-st-alban/religioeses-und-spirituelles-wirken.html> (Letzter Aufruf: 29.03.24)